Zum Buch von Georg Quaas: „Die ökonomische Theorie von Karl Marx“

Gute Bücher sollten zum Nachdenken anregen, das nicht nur mit anschließendem Nicken endet, sondern auch zum Diskutieren animiert. In dem vorliegenden Buch finde ich beides gegeben.

Ungewöhnlich ist, wie an die Werterklärung herangegangen wird: auf mathematischem

Weg. Nur auf konventionellen Wegen zu wandern, bringt die Wissenschaft nicht unbedingt weiter. Neue Richtungen einzuschlagen, beflügelt andere, mitzumachen und mit den neuen Gedanken noch mehr Unbekanntes zu erkunden, ganz nach dem Motto dieser Webseite – „Wissenschaftliche Freiheit“.
In diesem Sinne freue ich mich auf eine spannende Diskussion zur Arbeitswerttheorie, deren Ausgang, zumindest aus meiner Sicht, noch völlig offen ist.

Georg Quaas zeigt, dass Wert und Gebrauchswert, auch in Verbindung mit Angebot und Nachfrage, mathematisch exakt berechnet werden können. Um zum Wert zu gelangen, beginnt er nicht mit der typischen Wertformel W = c + v + m, sondern geht den Weg über die Berechnung des Gebrauchswertes und gelangt darüber zum Wert.

Ein Beispiel für eine lineare Funktion, mit der der Wert errechnet werden soll, lautet: W(a) = u(A) * t(A), wobei W(a) die Wertgröße des Arbeitsproduktes a, A den Produktionsprozess, u den Proportionalitätsfaktor für den Kompliziertheitsgrad der Arbeit und t die Zeitdauer des Arbeitsprozesses darstellen.

Entsprechend dieser Formel soll der Wert im Arbeitsprodukt untergebracht oder zumindest bereits auf der Produktionsseite der Warengesellschaft fest mit diesem verknüpft werden.

Doch das kann aus meiner Sicht nicht funktionieren. Der Wert ist ein gesellschaftliches Verhältnis. Kann man ein gesellschaftliches Verhältnis in (zunächst potenziellen) Waren unterbringen oder durch die Produktion fest mit diesen verknüpfen?

In meinem ersten Diskussionsbeitrag zur Interpretation der Arbeitswerttheorie, wie sie in dem Buch „Die ökonomische Theorie von Karl Marx“ herausgearbeitet wird, möchte ich mich auf das Thema Ware und Wert konzentrieren. Meine Gedanken dazu werde ich nicht umfassend erläutern. Die Diskussion soll die Schwerpunkte setzen, anhand derer sie gezielter fortgesetzt werden kann.

Können Waren Wert haben?

Engels formuliert eine grundlegende Aussage zur Ökonomie:

„Die Ökonomie handelt nicht von Dingen, sondern von Verhältnissen zwischen Personen und in letzter Instanz zwischen Klassen; diese Verhältnisse sind aber stets an Dinge gebunden und erscheinen als Dinge.“ (Engels /1/)

Das sollte demzufolge auch auf den Wert zutreffen, da dieser zu den grundlegenden Kategorien zählt, die von der Ökonomie untersucht werden und mit denen sie arbeitet. Der Wert stellt seinem Wesen nach ein Verhältnis zwischen Menschen dar.

Konkret bilden Tauschpartnern den Wert im Rahmen eines Wertverhältnisses unter sich heraus und er wirkt auch zwischen ihnen. Das Ziel, das die Tauschpartner mit dem Wertverhältnis verfolgen, ist der wertäquivalente Tausch einer Ware gegen ein Wertäquivalent (letzteres meist in Form von Geld). Ware und Wertäquivalent sind die Bezugspunkte eines solchen Wertverhältnisses.

Bei Marx sind Formulierungen dieser Art nicht zu finden, doch ich denke, dass ich diese Aussage gut begründen kann im weiteren Verlauf der Diskussion.
Da die Ware nach der klassischen Interpretation der Arbeitswerttheorie nur in dinglicher Form gesehen und damit nur als Dingliches getauscht wird, erscheint der Wert beim Tausch auch als etwas Dingliches. Hier ein Beispiel bezogen auf den Dienstleistungsbereich: „Nun gibt es aber sowohl Eigentum als auch Warenproduktion und Warentausch, also vergegenständlicht sich die mit der Dienstleistung verausgabte abstrakt menschliche Arbeit im Wert von Dingen, die sich – per definitionem – im Eigentum Dritter befinden.“ (G. Quaas /2/, S. 198)

Das steht im Widerspruch zur eingangs zitierten Aussage von F. Engels. Nach ihm kann es den Wert nur auf der gesellschaftlichen Ebene geben, folglich nur zwischen Menschen. Ein Wertverhältnis zu vergegenständlichen würde bedeuten, die Beziehung zwischen Käufer und Unternehmer / Verkäufer in das Produkt einzubauen. Aus meiner Sicht ist das unmöglich. Wo ein Wertverhältnis wirklich wirkt und wo nicht, ist im folgenden Bild dargestellt:


Bild WLi 1: Der Wert wird als ein gesellschaftliches Verhältnis von Tauschpartnern untereinander gebildet.

Auf dem Bild WLi 1 stehen sich ein potenzieller Käufer sowie ein Unternehmer als potenzieller Verkäufer gegenüber (vereinfachte Darstellung ohne den Handel). Der Unternehmer hat eine potenzielle Ware im Eigentum, die der Käufer erwerben möchte. Der Käufer hat Geld im Eigentum (oder in der Verfügungsgewalt – je nach rechtlicher Lage). Der Unternehmer eröffnet mit seinem Angebot der Ware auf dem Markt einseitig ein Wertverhältnis, das zunächst unvollständig ist. Er bringt seine potenzielle Ware, verbunden mit dem Erwartungswert in Gestalt des Angebotspreises, in dieses Wertverhältnis ein. Der Erwartungswert verdeutlicht, was der Unternehmer als Wertäquivalent beim Verkauf der Ware erwartet.

Sollten sich beide auf eine gemeinsame Wertgröße einigen, im Dialog auf dem Basar oder durch einseitige Anpassung des Käufers an die Wertvorstellung des Unternehmers (analog zum Kaufhaus), können sie das gemeinsame Wertverhältnis mit dem Tausch erfolgreich beenden. Die gemeinsame Wertgröße wäre dann der reale Wert, den beide in ihrem Wertverhältnis herausgebildet und genutzt hätten.

Auf der rechten Seite im Bild ist festgehalten, wo es den Wert nicht geben kann: in (potenziellen) Waren, zwischen Waren, zwischen Menschen und Waren und der Wert ist auch nicht allein durch die Produktion mit einer potenziellen Ware fest verbunden.

Fazit:

Wert ist ein Verhältnis zwischen Menschen.
Wert kann demzufolge nicht in Gegenständen untergebracht werden. Ware und Geld sind Bezugspunkte eines Wertverhältnisses. Mit der Produktion einer potenziellen Ware wird folglich kein Wert, sondern nur ein möglicher Bezugspunkt für eine Wertbeziehung in das Produkt hineingebracht.

Medien
/1/ Friedrich Engels: Karl Marx, „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“ (1859); in: MEW 13, S. 476 [1]
/2/ Georg Quaas, Die ökonomische Theorie von Karl Marx, S. 198, Metropolis-Verlag 2016

11 Gedanken zu „Zum Buch von Georg Quaas: „Die ökonomische Theorie von Karl Marx“

  1. 1. Das Buch entwickelt ein kohärentes mathematisches Modell der ökonomischen Theorie von Karl Marx in ihrer reifsten Form. Jede Überprüfung und Kritik, die das Modell widerlegen oder auch nur korrigieren will, muss sich auf das „Kapital“ Band 1 beziehen, nicht auf Sraffa, Morishima oder sonst wen. Völlig irrelevant ist, was sich der einzelnen Anhänger, Gegner oder Verbesserer von Marx unter dieser Theorie vorstellt. Denn auch diese Vorstellungen wären erst einmal am „Kapital“ zu überprüfen. Die Vorstellungen einer Reihe von prominenten Anhängern, Gegnern und Verbesserer von Marx sind von mir im Buch mit dem Original konfrontiert worden. Es übersteigt aber die Kräfte eines einzelnen Menschen, alle mehr oder weniger klugen Interpretationen zu berücksichtigen.

    2. Das Bild im Beitrag von Rainer Lippert stellt sehr schön dar, was er sich unter einem „gesellschaftlichen Verhältnis“ vorstellt: ein Verhältnis zwischen Personen. Das ist aber ein soziales Verhältnis. (Peter Ruben hat auf den Unterschied zwischen sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen mehrmals hingewiesen.) Gesellschaftliche Verhältnisse sind nach Marx (MEW 3/29f.) komplexer, nämlich über das Zusammenwirken mehrerer Individuen in Bezug auf einen Gegenstand vermittelt. t(A) ist der mathematische Ausdruck für die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, und diese ist durch die Bedingungen, unter denen ein bestimmter Gebrauchswert durch unkoordiniert nebeneinander laufende Arbeitsprozesse einer warenproduzierenden Gesellschaft hergestellt wird, bestimmt. Es handelt sich um den gewichteten Durchschnitt der individuellen Arbeitszeiten, eine im Prinzip zwar messbare Größe, aber nicht unter den Bedingungen der freien Konkurrenz. Das ist klarerweise ein gesellschaftliches Verhältnis im Sinne von Marx. Des Weiteren umfasst die kritisierte Formel den Kompliziertheitsgrad der Arbeit – ebenfalls ein gesellschaftliches Verhältnis, wenn auch ein sehr spezielles, nämlich ein ökonomisches, das neben der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit die Größe des Wertes bestimmt, der einem Gebrauchswert zugeordnet wird, wenn er als Ware produziert wird.

  2. Genau, es geht um die Arbeitszeit – deswegen auch Arbeitswerttheorie. Aber es geht nicht nur um die Arbeitszeit, es geht auch um die Arbeitsergebnisse. Wertverhältnisse sind Verhältnisse, die Menschen miteinander eingehen, Wertverhältnisse gehen Tauschpartner miteinander ein, um wertäquivalent eine Ware gegen ein Wertäquivalent zu tauschen. Was wertäquivalent ist, wird ihnen nicht von Maschinen errechnet, sondern die Menschen verarbeiten ihre Eindrücke von den Tauschgütern. Wert kann nicht von den Menschen getrennt werden.

    Die Reihenfolge im Ablauf der Wertbildung ist wichtig. Sie lautet nicht
    Arbeitszeit ==> Wert ==> Angebot des Wertes mit Gebrauchswert ==> Tausch zum Wert, über Wert, unter Wert oder Nicht-Tausch, sondern
    Arbeitszeit ==> Arbeitsergebnisse als potenzielle Bezugspunkte für mögliche Wertverhältnisse ==> Angebot mit Erwartungswert ==> Einschätzung des Arbeitsergebnisses ==> Wert durch Tausch; bei voller Akzeptanz werden die Aufwendungen c und v ersetzt und der erwartete Mehrwert wird bezahlt; findet sich kein Käufer, war die aufgewandte Arbeit gesellschaftlich nicht nützlich und damit nicht wertbildend. Letzteres entspricht voll und ganz der Auffassung von Marx:
    Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie, S. 12
    “ Die Gebrauchswerte der Waren werden also als Gebrauchswerte, indem sie allseitig die Stellen wechseln, aus der Hand, worin sie Tauschmittel, übergehen in die Hand, worin sie Gebrauchsgegenstände. Nur durch diese allseitige Entäußerung der Waren wird die in ihnen enthaltene Arbeit nützliche Arbeit.“ (nützlich im ökonomischen Sinn; der Autor).

    Ein Beispiel:
    Ein Regenschirm-Produzent produziert Regenschirme, die er gut verkaufen kann. Doch Produzenten sind gierig und wollen immer mehr Gewinn. Sein progressiver Sohn nahm am Kongress „Marx is muss 2018“ teil und hat dort gelernt, dass der Wert durch die Arbeitszeit bestimmt wird.
    Der Papa möchte das prüfen und er lässt Löcher in die Schirmbespannungen stanzen. Damit erhöht er die für die Schirme benötigte Arbeitszeit und er erhofft sich dadurch einen noch größeren Gewinn.
    Doch der Erfolg bleibt aus. Das wird daran liegen, dass die potenziellen Käufer die Arbeitsergebnisse vor dem Kauf einschätzen.

    Auf S. 65 im hier diskutierten Buch ist als Beispiel aufgeführt:
    „…wenn der Wert eines Rockes doppelt so groß als der von 10 Ellen Leinwand [ist], [haben] 20 Ellen Leinwand dieselbe Wertgröße wie ein Rock.“ (Marx 1890;58)
    Stimmt das? Das kann durchaus in einem Tausch so ausgehandelt werden. Doch stimmt das auch noch bei 20 Röcken, sind die so viel wert (exakt: wird auf diese die gleiche Wertgröße bezogen) wie (auf) 400 Ellen Leinwand?
    Wenn nur 15 Röcke benötigt werden, dann würden dafür, bei diesem Wertverhältnis, 300 Ellen Leinwand abgegeben werden. Wenn niemand anderes die verbleibenden 5 Röcke kauft, war die dafür aufgewandte Arbeitszeit gesellschaftlich nicht nützlich und damit nicht wertbildend.
    Somit könnte die Arbeitszeit, die für die 20 Röcke aufgewandt wurde nicht mehr mit der gleichen Umrechnung mit der Arbeitszeit, die für 400 Ellen Leinwand aufgewandt wurde, verglichen werden.
    Sollten zufällig auch 100 Ellen Leinwand nicht verkäuflich bleiben, würde es wieder stimmen. Doch diese Annahme gibt die Formel nicht her.
    Die Gleichsetzung 20 Ellen Leinwand = 1 Rock setzt den Markt bereits voraus. Nur wird das nicht explizit angegeben. Außerdem wurde auch diese Gleichsetzung nur über Wertverhältnisse herausgebildet, wie sie oben im Bild zu sehen sind.

    Der Wert wurde in der Gesellschaft herausgebildet, um nicht zeitbasiert zu tauschen, sondern um zeitbasiert in Verbindung mit den Arbeitsergebnissen zu tauschen, sonst könnten die Produktionskosten als Tauschgrundlage dienen.
    Die Marxsche Wertformel W = c + v + m beinhaltet beides, den Aufwand und das Ergebnis, und das auch im oben grafisch dargestellten Wertverhältnis: Der Unternehmer bringt in das Wertverhältnis seinen Erwartungswert ein – W|erwartet = c|Kostenfaktor; Ersatz erwartet + v|Kostenfaktor; Ersatz erwartet + m|erwartet. Der Käufer bringt das Wertäquivalent ein, mit dem üblicherweise c und v ersetzt werden und der erwartete Mehrwert bezahlt wird (was nur funktioniert, wenn der Käufer auch c und v ersetzt) – W|real = c|ersetzend + v|ersetzend + m|real. Das ist ein wirkliches gesellschaftliches Verhältnis, das beide miteinander eingehen, denn sowohl die gemeinsame Wertgröße als auch der Tausch finden auf der gesellschaftlichen Ebene statt und der Wert wird von beiden zusammen gebildet (Wertbildung ist verschieden von der Bildung der Bezugspunkte für die Wertbeziehung).

    Diese Wertgröße ist völlig objektiv, aber an die Menschen gebunden, was auch bei einem gesellschaftlichen Verhältnis gar nicht anders sein kann. Der Wert steht im Kaufvertrag und sowohl der Käufer als auch der Unternehmer spüren nach dem Tausch objektiv anhand der aktuell zur Verfügung stehenden Kaufkraft, dass der Wert objektiv war.
    Ein Wert auf Basis von t(A) wäre ein ideeller, denn der würde keinem gesellschaftlichen Verhältnis entsprechen. Der würde nur im Bereich des Eigentums des Unternehmers als Wunschgröße existieren.

  3. Wenn Sie ein Zitat von Marx aufschreiben und dann fragen „Stimmt das?“, so ist doch klar, dass Sie sich vom „Kapital“, das ich modelliert habe, distanzieren. Bei der Modellierung einer Theorie geht es erst einmal nicht darum, ob das Modell mit der Realität übereinstimmt, sondern zunächst darum, ob es mit der Theorie übereinstimmt.

    Im Übrigen wird der „gesellschaftliche Gebrauchswert“, auf dem Sie herumreiten, in den Kapiteln 4 und 5 meines Buches einbezogen. Ich folge dabei genau der Struktur des „Kapital“, dort wird das Verhältnis von Angebot und Nachfrage (nach Leinen, nicht Regenschirmen) ab S. 121 dargestellt. Grundlage ist der Wert, der ein gegenständlicher Ausdruck der Produktions- (!) Verhältnisse ist und nicht der Marktverhältnisse (auch wenn Heinrich das anders sieht).

  4. Wert – auf der Produktionsseite der Warengesellschaft oder auf der Marktseite

    Zitat aus Ihrem Blogeintrag: „Grundlage ist der Wert, der ein gegenständlicher Ausdruck der Produktions- (!) Verhältnisse ist und nicht der Marktverhältnisse.“

    Diese Aussage ist nicht ganz exakt. Das kann anhand der Wertformel von Marx gezeigt werden.
    Der Wert dient dem wertäquivalenten Tausch von Ware gegen Wertäquivalent.
    Zunächst zwei allgemeine Aussagen von Marx zum Wert, aus denen hervorgeht, dass der Wert erst auf dem Markt zustande kommt:

    Zwei Zitate von Marx
    „Ein Arbeitsprodukt, für sich isoliert betrachtet, ist also nicht Werth, so wenig wie es Waare ist. Es wird nur Werth, in seiner Einheit mit andrem Arbeitsprodukt, oder in dem Verhältniß, worin die verschiedenen Arbeitsprodukte, als Krystalle derselben Einheit, der menschlichen Arbeit, einander gleichgesetzt sind.“ Karl Marx: MEGA II/6, 31

    Die Gleichsetzung kann nicht absolut errechnet werden, sondern muss auf dem Markt erfolgen. Unter anderem das folgende Zitat sowie mein Regenschirmbeispiel machen das deutlich.

    Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie, S. 12
    „Die Gebrauchswerte der Waren werden also als Gebrauchswerte, indem sie allseitig die Stellen wechseln, aus der Hand, worin sie Tauschmittel, übergehen in die Hand, worin sie Gebrauchsgegenstände. Nur durch diese allseitige Entäußerung der Waren wird die in ihnen enthaltene Arbeit nützliche Arbeit.“ Hier kann ergänzt werden „und damit wertbildende Arbeit.“

    „Nützlich“ bedeutet gesellschaftlich nützlich, d. h. für andere nützlich. Damit wird darauf hingewiesen, dass für den Wert der Tausch notwendig ist. Einen Wert, der nur auf t(A) basiert, kann es damit nicht geben.

    Tausch und Wertverhältnis
    Der Tausch findet nicht in der Produktionssphäre statt. Mit der Produktion werden nur Voraussetzungen, mögliche Bezugspunkte, für mögliche Wertbeziehungen und damit für die Wertbildung geschaffen, mehr nicht. Ein gesellschaftliches Verhältnis zwischen Tauschpartnern (die oben zitierten Aussagen von Marx zeigen, dass der Wert mit dem Tausch zusammenhängt, folglich mit Tauschpartnern) kann nicht in potenzielle Waren eingebaut werden. Und der Wert kann auch nicht zwischen der potenziellen Ware und dem gesellschaftlichen Umfeld wirken.

    Die Wertformel zeigt den Ort der Wertbildung
    Der Wert ist für den Tausch wichtig und der Tausch für den Wert notwendig.
    Beim Wert geht es um den Tausch von Eigentum gegen Eigentum in wertäquivalenter Höhe.
    Die Wertformel W = c + v + m zeigt das: Der Unternehmer bringt seine Ware mit dem Angebotspreis ein, der potenzielle Käufer sein Wertäquivalent. Da der Wert erst auf dem Markt gebildet wird, reicht eine Wertformel aus, die auf den Markt angewendet werden muss: W = c + v + m, wobei c und v eigentlich nicht die Produktionskosten sind, sondern das, was der Käufer davon ersetzen will. Der Mehrwert m ist das, was der Käufer als Mehrwert zusätzlich neben dem Ersatz der Produktionskosten c und v bezahlt. Das bezahlt er erst auf dem Markt, nicht mit der Produktion. Der Mehrwert ist das Ziel der Produktion. Um dieses Ziel zu erreichen, muss es dem Unternehmer gelingen, den Käufer dazu zu bewegen, die Produktionskosten zu ersetzen und zusätzlich den Mehrwert zu bezahlen.

    Würde der Wert in der Produktionssphäre geschaffen werden, würde die Wertformel lauten müssen W = c|Kostenfaktor + v|Kostenfaktor + m|erwartet. Mehr ist auf der Produktionsseite nicht gegeben.
    Für m|erwartet kann ein hoher Wert eingesetzt werden. Für die reale Rechnung ist dieser Wert Null, da es auf der Produktionsseite keinen Mehrwert gibt, den bezahlt erst der Käufer auf dem Markt. So bleiben nur die Kosten übrig. Die bilden aber nicht den Wert.

    Marx und die Wertformel
    Marx beschreibt die Wertbildung mit der Wertformel für den folgenden Spezialfall: Alle Waren werden mit den erwarteten Mehrwerten verkauft. Nur in diesem Fall kann die Wertformel sowohl auf die Produktions- als auch auf die Marktseite angewendet werden. Diese Voraussetzung kann man daraus ableiten, dass Marx im Zusammenhang mit dem Wert praktisch nicht von nicht absetzbaren Produkten und auch nicht davon spricht, dass Produktverkäufe zu weniger als den erwarteten Mehrwerten oder sogar zu „negativen Mehrwerten“ führen.
    Für sein Hauptziel, die Darstellung der kapitalistischen Ausbeutung, war dieser Weg übersichtlicher und ausreichend.

    Wert – nur zwischen Tauschpartnern
    Die Wertformel heißt auch nicht W = u(Produktionsverhältnisse) x (c + v + m) oder ähnlich, wobei u der Umrechnungsfaktor für die Produktionsverhältnisse auf den Wert sein soll. Der Wert wird nur zwischen Käufer und Verkäufer gebildet – zum Tauschzeitpunkt. Genau das zeigt die Wertformel, nicht mehr und nicht weniger. Wenn die Wertformel für das gesellschaftliche Verhältnis Wert steht, kann dieses nur zwischen Käufer und Unternehmer wirken.
    Vor dem Tausch ist der Wert nur als Erwartungswert gegeben, nach dem Tausch ist er verschwunden. Ob das gekaufte Produkt erneut zu einer Ware wird, kann nicht aus dem vergangenen Wertverhältnis abgeleitet werden.

    Der gesellschaftliche und der natürliche Kontext
    Der Tausch wird im gesellschaftlichen und im natürlichen Kontext durchgeführt, ist von beiden beeinflusst und kann in seiner konkreten Gestalt nicht ohne diese Einflüsse erklärt werden.
    Diese Einflüsse gehen aber nicht direkt in den Wert ein, sondern vermittelt über die Tauschpartner, werden folglich von der Wertformel für das Wertverhältnis W = c + v + m erfasst und gehen ein in den Angebotspreis sowie in das Wertäquivalent. Beim Wertäquivalent sind die Einflüsse vor allem im Mehrwert enthalten, aber in einigen Fällen auch darin, dass der Käufer nicht einmal die Aufwendungen c und v des Herstellers zu ersetzen bereit ist.

  5. Korrektur: Im Abschnitt Marx und die Wertformel muss es richtig heißen „… dass Marx im Zusammenhang mit dem Mehrwert und der Ausbeutung praktisch nicht von nicht absetzbaren Produkten …“

  6. Sie kritisieren das Modell wieder an Ihren eigenen Vorstellungen und nicht am Original. Die Formel W = c + v + m ist sehr primitiv, obwohl sie ziemlich viele Sachverhalte zusammenfasst. Marx wäre niemals als Theoretiker in die Geschichte eingegangen, wenn das alles wäre, was er der Menschheit an ökonomischen Einsichten geliefert hätte. „Das Kapital“ zeigt die ökonomischen Verhältnisse auf, die aus Sicht der Arbeitswerttheorie hinter diesem Zusammenhang stehen und die den „Ausbeutungseffekt“ produzieren. Diese Verhältnisse habe ich umfassend und widerspruchsfrei modelliert. Klarerweise kann man – wenn man will – daraus wieder die obige Formel ableiten (siehe Formel 6.35). Für sich genommen ist sie ziemlich bedeutungslos. Auf keinen Fall lassen sich damit die einfachen und abstrakten Sachverhalte „totschlagen“, die bei Marx dazu dienen, eben jenen Zusammenhang Schritt für Schritt zu erklären. Eben das haben Sie in den letzten Kommentaren versucht.

    Sollten Sie sich jemals entschließen, den Inhalt des Buches ernst zu nehmen, hinter dem 40 Jahre Forschung stehen, so können wir gern weiter diskutieren. Aber ich sehe keinen Sinn darin, mich mit jedermanns Vorstellungen herumzuschlagen. Wie ich Ihnen schon per E-Mail schrieb, ist meine Hoffnung, dass sich irgendjemand sozusagen neben seine Überzeugungen, was Marx angeblich geschrieben hat und sagen wollte, stellt, gleich Null. Wenn Glauben und Argumente aufeinander treffen, siegt immer der Glauben.

    Meine Hoffnung ruht auf den jungen Leuten, die „Das Kapital“ ernsthaft studieren und verstehen wollen und die mit einigen dunklen Stellen darin nicht klar kommen. Denen wird das Buch weiterhelfen. Und das schöne an dieser Hoffnung ist, dass diejenigen, denen es tatsächlich geholfen hat, sich oftmals getrieben fühlen, mir das mitzuteilen. Und wenn es nur die zwei wären, die sich in den zwei Jahren seit Erscheinen bereits gemeldet haben, hätte sich das Schreiben schon gelohnt.

    Sie können natürlich weiter nach Herzenslust kommentieren. Vielleicht findet sich ja jemand, der so ähnlich denkt wie Sie.

  7. Einiges verstehe ich, aber anderes nicht.
    Was ich zum Wert schreibe, ist vollständig begründet und bisher habe ich noch kein Argument gelesen oder gehört, das dagegenspricht, auch nicht in dem hier diskutierten Buch.

    Was ich schreibe schmälert auch in keiner Weise das Werk von Marx. Die Beschreibung, wo der Wert als gesellschaftliches Verhältnis entsteht, ist doch nur ein winziges Element seines Werkes.

    Doch was nutzt im Rahmen der Analyse der Ausbeutung die Annahme, dass der Wert und damit der Mehrwert auf der Produktionsseite der Warengesellschaft entstehen würden, wenn der Unternehmer die wirklichen Mehrwerte von den Käufern der Waren erhält? Was ist an solch einer Ansicht unwissenschaftlich?

    Es ist auch unbestritten, dass die Arbeit die Grundlagen für Wertbeziehungen schafft. Aber Wertverhältnisse schließen die Bewertung der Arbeitsergebnisse ein.

    Die Arbeitswerttheorie ist sogar genialer und umfassender, als Marx sie selbst gesehen hat und als sie bisher interpretiert wird. Dazu möchte ich gern noch einen Kommentar unterbringen, muss aber dazu noch jemanden fragen, weil ich zu dem, was ich schreiben möchte, einen wichtigen Gedankenanstoß erhielt.

    Meine Ansichten habe ich übrigens schon Mitte der 80ger Jahre diskutiert, fast in der Art wie jetzt auch. U. a. hat mich damals Frau Professor Müller der Universität Leipzig damals zu einer Diskussion über die Arbeitswerttheorie eingeladen, nachdem ich ihr meine Ansichten schickte.

  8. Dreimal einen Satz geändert und dann zu schnell abgeschickt – so entsteht so etwas wie der letzte Abschnitt in meinem vorigen Kommentar – pardon!

    Die Arbeitswerttheorie und die Arbeitskräfte

    Bei Marx und in dem Buch vom Herrn Dr. Quaas wird an mehreren Stellen darauf hingewiesen, dass der Wert nur mittels menschlicher Arbeit geschöpft würde.

    Nicht nur menschliche Arbeit schafft Voraussetzungen für Wertbeziehungen
    Die Wertformel von Marx, W = c + v + m, zeigt keine Beschränkung der oben genannten Art.
    Marx ging davon aus, dass der Wert durch menschliche Arbeit auf der Produktionsseite der Warengesellschaft vergegenständlicht würde.
    Doch wie ich hier zeigen konnte, werden durch die Produktion nicht die Werte, sondern nur die Voraussetzungen, die Bezugspunkte für Wertbeziehungen und damit der Werte geschaffen.

    Bezugspunkte für Wertbeziehungen sind Qualitätsmerkmale
    Fast alle Rohstoffe kommen nicht direkt als Bezugspunkte für übliche Wertbeziehungen in Frage. Aus diesem Grunde wird mittels Produktion die Qualität von Rohstoffen und anderen Eingangsgrößen so weit erhöht, dass die Resultate den Bedürfnissen entsprechen und sie so Anforderungen für den Tausch genügen: Aus Rohmaterial werden Schrankteile geformt und zusammengefügt, Rohre gezogen usw. Auf die Produktionsergebnisse werden Wertverhältnisse bezogen (jedoch nicht zwangsweise). Diese potenziellen Bezugspunkte für Wertbeziehungen sind allgemein gesprochen Resultate von Qualitätserhöhungsprozessen.

    Maschinelle Arbeit
    Wenn Tauschpartner Wertverhältnisse miteinander eingehen, ist es für sie jedoch nicht wichtig, auf welche Art die Qualitätserhöhungsprozesse zustande kamen. Für sie ist auch unwichtig, wer oder was die für Wertbeziehungen notwendigen Qualitätserhöhungen an den Ausgangsmaterialien vollzog. M. a. W. die Bezugspunkte für Wertbeziehungen können nicht nur durch menschliche Arbeitskraft gestaltet werden.
    Betrachten wir eine Maschine. Die Maschine ist eine Arbeitskraft ähnlich wie eine menschliche: Sie wird gekauft wie ein Sklave oder gemietet wie ein Leiharbeiter. Sie sorgt durch ihre maschinelle Arbeit für Qualitätserhöhungen, die wiederum Grundlagen für Wertbeziehungen bilden. Sie braucht Eingangsmaterial, das sie verarbeitet, genau wie menschliche Arbeitskräfte.
    Dazu verbraucht sie, wie menschliche Arbeitskräfte, Existenzmittel: Strom, Kühlwasser, Öl. Sie kann „krank“ werden und muss repariert werden, sie bekommt Bildung (Softwareupdates, Erweiterungen). Schließlich muss sie beerdigt werden. Der Unternehmer kauft die Maschine, um aus deren Arbeitsergebnissen mehr an Einnahmen herauszuholen, als er an Eingangs- und Betriebskosten hineingesteckt hat, d. h. die Maschine muss für Mehrwert oder für Mehrwertanteile sorgen, genau wie einzelne menschliche Arbeitskräfte im Produktionsprozess. Sie kann demzufolge als Parameterwert v in die Wertformel eingesetzt werden wie die menschliche Arbeitskraft.

    Extremwertbetrachtung: Die Maschinen wurden und haben sich dermaßen weit entwickelt, dass sie sich selbst konstruieren und die Produktion von Gebrauchsgütern ohne menschlichen Eingriff organisieren und durchführen.
    Ob dann noch eine kapitalistische Gesellschaftsordnung mit Marktwirtschaft vorherrscht, kann man nicht vorhersehen.
    Aber sollte es noch die Marktwirtschaft geben, dann würden dem Eigentümer der voll autonomen Produktionseinrichtung weiterhin Kosten für Rohstoffe, Energie, Kommunikation usw. entstehen. Die Produktionsergebnisse würde er, genau wie es heute üblich ist, mit Mehrwert verkaufen wollen. Dabei würden maschinelle Arbeitskräfte fast allein Voraussetzungen für Wertbeziehungen schaffen (irgendetwas wird dem Eigentümer sicherlich an Aufgaben bleiben, z. B. die Verhandlungen mit Zulieferern) und somit auch fast allein für die Bildung der Voraussetzungen für hohe Mehrwertgrößen zuständig sein.
    Sicherlich würde es in einer solchen Gesellschaft so etwas wie das bedingungslose Grundeinkommen geben müssen.

    Die Natur
    Von Beginn der Diskussionen an, die ich zur Arbeitswerttheorie führe, habe ich die Natur immer als einen Mechanismus, der Qualitätserhöhungen für Wertbeziehungen herausbildet, einbezogen.
    Ein Freund hat sich mein Buch („Mit Marx zur Marktwirtschaft?“, Tectum Verlag 2017) angesehen und kam zu dem Schluss, dass es sinnvoll und dringend zu empfehlen sei, auf die Ökologie Bezug zu nehmen.

    Die Natur arbeitet wie eine Maschine
    Das ging lange durch meinen Kopf, bis ich bei der Lektüre des hier diskutierten Buches bemerkte, dass die Menschen wohl seit Beginn des Warentauschs die Natur direkt wie eine maschinelle Arbeitskraft nutzen. In einigen Fällen geben sie Rohmaterial hinein – Saatgut, Wasser, Futter für Tiere. Aus dem Produktionsprozess holen sie Getreide, Früchte, größere Tiere heraus.
    In anderen Fällen hat die Natur aufgrund ihrer Größe und ihres hohen Alters sehr viel Eingangskomponenten bereits selbst für den Menschen fast direkt nutzbar aufbereitet, so dass der Mensch nur noch die Resultate herausholen braucht: Kohle, Erdöl, Gold etc. Einige der Resultate von Qualitätserhöhungsprozessen der Natur werden dem ökonomischen Austausch unterworfen. Die Grundlagen dafür sind Eigentum und hinreichend stark ausgeprägte Bedürfnisse nach diesen Naturgütern:
    „Gäbe es kein Eigentum, würde sich die Dienstleistung in nichts von einer gewöhnlichen Arbeitsleistung unterscheiden. Allerdings gäbe es dann auch keine Waren …“ (S. 198), zu hinreichend starken Bedürfnissen, d. h. zur zahlungsfähigen Nachfrage S. 141
    Der Eigentümer solcher Naturgüter möchte sein konstantes Kapital, das er für die Gewinnung der Naturgüter verbrauchte (c), ersetzt bekommen, wie auch seine Existenzmittel (v). Zusätzlich möchte er Gewinn machen, so dass bezüglich der Naturgüter ganz normale Wertverhältnisse zustande kommen, wobei die Natur einen Anteil an v hat (oder haben sollte) und einen sehr hohen am Mehrwert m.

    Die Natur als Arbeitskraft
    Warum hat die Natur Anteil an v und m oder sollte daran Anteile haben?
    Was bisher arbeitswerttheoretisch nicht beachtet wurde, ist der Fakt, dass der Eigentümer, egal ob es sich um eine Privatperson, eine Genossenschaft, ein Unternehmen oder ein Land handelt, die Natur als Arbeitskraft im ökonomischen Sinne einsetzt. Die Natur bewerkstelligte oder bewerkstelligt die Qualitätserhöhungsprozesse, und die Resultate werden vom Eigentümer nicht verschenkt, sondern, gegenüber den Eingangsgrößen mit Gewinn verkauft, wie bei den Resultaten einer maschinellen Arbeitskraft. Der Eigentümer hat sich dazu einen Ausschnitt aus der Natur wie eine Maschine angeeignet. Nur bezahlt er für diese Arbeitskraft in vielen Fällen nicht hinreichend.
    Aufgrund der gewaltigen Größe fiel das lange Zeit nicht auf, weil die Natur als Arbeitskraft über ihre Existenzmittel auch ohne Zuteilung durch den Menschen verfügte. Doch mit der immer längeren und stärkeren Nutzung der Natur wurden wichtige Existenzmittel der Natur qualitativ verschlechtert. Jetzt braucht die Natur selbst zusätzliche Existenzmittel, da ihre gegebenen in vielen Fällen nicht mehr den Anforderungen für ihre normalen Funktionen genügen. Dafür hat der Eigentümer zu sorgen. Wo es keinen direkten Eigentümer gibt, sollte die gesamte Menschheit als Eigentümer gelten. Für die Arbeitskraft Natur müssen, genauso wie für menschliche und maschinelle Arbeitskräfte, die Existenzmittel bezahlt werden, damit ihr diese zur Verfügung gestellt werden können: Sauberes Wasser, saubere Luft, entseuchter Boden usw.
    An welchen Stellen und in welcher Art das notwendig ist, sind ökologische, politische und wirtschaftliche Entscheidungen, aber die Natur muss auch als Kostenfaktor Arbeitskraft v in den Wertbildungsprozess einbezogen werden.

  9. Ergänzung zur Vergegenständlichung

    Wert ist ein gesellschaftliches Verhältnis, wie auch das Eigentum. Der Wert ist an das Eigentum gebunden. Beide haben sehr viel gemeinsam, u. a. dass beide nicht vergegenständlicht werden können. ¬
    Stoffliche Dinge, aber auch geistige, wie Literatur und Patente, können lediglich Bezugspunkte von Wertverhältnissen, also von Wert, sowie von Eigentum sein.
    Beide Arten von gesellschaftlichen Verhältnissen existieren nur auf der gesellschaftlichen Ebene und werden nirgends hineingebracht, eingebaut oder ähnliches.
    Wird z. B. Eigentum in Form eines Gerätes unrechtmäßig entwendet, dann bleibt das Gerät als möglicher Bezugspunkt für Eigentum erhalten, nur der Ausgangspunkt des Bezugs wird verändert: Der Dieb muss kein vorheriges gesellschaftliches Verhältnis Eigentum aus- und ein neues in das entwendete Gerät einbauen.

    Ein gesellschaftliches Verhältnis vom Typ Wert wirkt beim Tausch von Eigentum gegen Eigentum zwischen den Inhabern des Eigentums (Personen, Institutionen …). Das gesellschaftliche Verhältnis Eigentum wirkt relativ dauerhaft zwischen dem Inhaber des Eigentums und der gesamten Gesellschaft und darüber hinaus.

    Die gesellschaftlichen Verhältnisse Wert und Eigentum werden von den Menschen auf der gleichen gesellschaftlichen Ebene gebildet und wirken nur dort. Verschieden sind die
    – Wege, wie diese gesellschaftlichen Verhältnisse gebildet werden,
    – die Funktion dieser Verhältnisse,
    – die Ziele, die mit diesen Verhältnissen verfolgt werden, sowie
    – die Partner in diesen Verhältnissen.
    Die Bezugspunkte sind prinzipiell dieselben. Die Verbindungen, welche die Menschen zu diesen Bezugspunkten herstellen, werden auf dem gleichen Weg hergestellt.
    Der Wert beschreibt die Eigentums-Äquivalenz auf der gesellschaftlichen Ebene beim Tausch von Eigentum gegen Eigentum, die fast immer in quantifizierter Form angegeben wird.

    In beiden Fällen ist das gesellschaftliche Verhältnis auch objektiv gegeben, obwohl es an die Menschen mit ihren Bewusstseinsprozessen gebunden ist, dort seinen Ursprung und ebenfalls ideelle Bezugspunkte hat, die notwendig sind für die Existenz des objektiven Anteils des jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisses.

  10. Sehr geehrter Herr Quaas,

    ich will auf den mir von Ihnen übermittelten Text „Ist der Mehrwert messbar“ reagieren. Ich habe diesen Text nun studiert und kann Ihnen zunächst mitteilen, dass ich ihn äußerst anregend fand. In meinem letzten Mail versprach ich, Sie in Stichworten über allfällige Differenzen zwischen unseren Positionen zu informieren, damit Sie in entscheiden können, ob es sich vielleicht für Sie lohnt, in mein Buch („Kritik des Arbeitswerts“) hineinzulesen.

    Ich stieß bei der Lektüre Ihres Textes auf drei Reibungspunkte zwischen unseren Positionen und möchte diese nun in aller Kürze stichwortartig anreißen. Vorher aber ein Wort zu einer ganz wichtigen Übereinstimmung: Wenn Sie feststellen dass man aus der analytischen Unterscheidung zwischen den Ebenen der Gebrauchswerte, Werte und Tauschwerte (Preise) keine ontologische Unterscheidung machen sollte (vgl. S. 102 Ihres Textes), bin ich ganz bei ihnen. Wesentliche Teile meiner Argumentation richten sich gegen derartige und andere Formen der Ontologisierung in der Rezeption der ökonomischen Theorie von Marx.

    Nun zu den erwähnten Reibungspunkten:

    1. Wenn Sie auf S. 103 f. aus der von Ihnen aufgezeigten „Modifikation des Werts durch den Preis“ die Erlaubnis zur „Verwendung der Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für deskriptive Analysen und für den Test ökonomischer Theorien – einschließlich der von Marx“ ableiten, dann gehen Sie m.E. etwas zu weit. Ich bin zwar ebenfalls der Meinung, dass die in der VGR praktizierte Sichtweise der marxistischen Arbeitswert-Perspektive viel näher steht als der sonst übliche Ansatz der bürgerlichen Ökonomie bei den sog. Produktionsfaktoren. Und ich würde Ihnen auch dabei Recht geben, dass die VGR-Daten für deskriptive Deskriptionen und Theorietests verwendet werden können. Es ist dabei jedoch höchste Vorsicht geboten. Die Ergebnisse der nationalen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen weichen nämlich systematisch von den Arbeitswerten ab, denn einerseits enthält jedes nationale Wertprodukt neben dem von der Arbeitsbevölkerung des betreffenden Staates geschaffenen Arbeitswert einen auf VGR-Basis nicht zu eruierenden (positiven oder negativen) Betrag, welcher in groben Zügen den (positiven oder negativen) Abweichung der jeweiligen nationalen Durchschnittsrendite von der allgemeinen Profitrate des Weltmarkts entspricht. Andererseits führen auch Vorsprünge bzw. Rückstände des jeweiligen Landes auf das mittlere weltweite Produktivitätsniveau und seine Macht- bzw. Ohnmachtspositionen auf dem Weltmarkt (Stichwort: Monopolstrukturen) zu entsprechend systematischen Abweichungen der jeweiligen Inlandspreise von den Arbeitswerten.

    2. Für Sie ist der Wert einer Ware ausschließlich durch die für ihre Herstellung gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit bestimmt und wird dann bloß nachträglich durch die jeweiligen Angebots-Nachfrage-Verhältnisse modifiziert, während für M. Heinrichs ‚monetäre Werttheorie‘ der Wert überhaupt erst auf dem Markt zustande kommt und daher „von vornherein durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage infiziert“ (S. 106) ist.

    Ich glaube so wie Heinrich, dass das Konzept eines von vornherein ‚markt-infizierten‘ Werts der Realität besser entspricht als die sowohl von ihrer inneren Logik als auch von ihrer Zeitstruktur her etwas zu einfach angelegte Denkfigur von ‚vorgängiger Determination und nachrangiger Modifikation‘. Denn tatsächlich ist der Arbeitswert schon IM Produktionsprozess durch die potentielle Nachfrage mitdeterminiert. Schon VOR allen nachträglichen Modifikationen durch das reale Nachfrageverhalten der Konsumenten antizipiert nämlich das den Wert mit Hilfe seiner Arbeitskräfte produzierende Kapital jene Nachfrage bzw. versucht sie durch gewisse Maßnahmen bei der Produktion konstant zu halten, wenn nicht gar zu stimulieren oder in bestimmte Richtungen zu lenken. Man denke beispielsweise an die sog. ‚geplante Obsoleszenz‘, also den geplanten vorzeitigen Verschleiß gewisser Produkte bzw. Produktbestandteile.

    Dazu drei ergänzende Bemerkungen:
    a) Auf S. 108 begründen Sie Ihre These, dass das gesamtgesellschaftliche Bedürfnis im Gegensatz zu Heinrichs Annahme keine Determinante des Werts sondern bloß des Marktwerts ist, damit, dass man andernfalls nicht sinnvoll von einer Abweichung des Preises vom Wert sprechen könne. Diese Sorge ist unbegründet. Denn der Preis kann trotz besagter Beteiligung des gesamtgesellschaftlichen Bedürfnisses an der Konstitution des Arbeitswerts von jenem Arbeitswert abweichen, weil es ja auch zahlreiche andere Ursachen für diese Abweichung gibt. Man denke etwa an den Produktionspreismechanismus, individuelle Produktivitätsvorsprünge des jeweiligen Anbieters, Monopolpreise, regionale Versorgungsengpässe, usw.
    b) Zu M. Heinrich: Wenn ich mich auch im vorliegenden Fall der Position M. Heinrichs anschließe, so bin ich doch kein Vertreter seiner Sicht auf das Wert-Preis-Verhältnis. Während nämlich für ihn der Rekurs auf Arbeitswerte eine bloße begriffliche Verständnisfunktion erfüllt, postuliere ich durchaus messbare Auswirkungen des Wertgetzes auf den Märkten.
    c) Zu Ihrer Denkfigur von ‚vorgängiger Determination und nachrangiger Modifikation‘: Beim Lesen Ihres Textes entstand bei mir der Eindruck, dass Sie generell das Verhältnis der Arbeitswertebene und der Nachfrageebene etwas zu linear denken. Mir schwebt eher eine dialektische Wechselbeziehung vor (genauere Ausführungen dazu in meinem Buch; insbesondere im Abschnitt I.3.c). Auch Ihre pauschale Übernahme von Zelenys Vorschlag, bei der Modellierung der ökonomischen Theorie von Karl Marx dessen Forumulierungen durch lineare Funktionen darzustellen (vgl. Ihr Text, S. 97), möchte ich in diesem Zusammenhang relativieren. So implizieren zum Beispiel Marxens krisentheoretische Annahmen durchaus die Möglichkeit, dass es vorübergehend zu Aufschaukelungen der Preisentwicklung kommt (Stichwort: Blasenbildung), die durch Exponentialfunktionen modelliert werden müssen.

    3. Auf S.108 ziehen Sie die Konsequenz aus Ihrer davor erläuterten Sicht auf das Wert-Preis-Verhältnis. Sie besteht darin, dass „die empirisch zu beobachtenden Differenz (sic!) des realisierten Marktpreises von (sic!) den Produktionskosten (Löhne, Gehälter, Vorleistungen und Abschreibungen) … den auf dem Markt und damit in der Gesellschaft anerkannten Mehrwert“ bilden – „ein quantitatives Objekt, das vom ökonomischen Mainstream als ‚Mark up‘ bezeichnet und thematisiert wird.“ Diese Schlussfolgerung impliziert, dass Sie die von Marx in Kapital III entfaltete Theorie des Produktionspreises zurückweisen, wofür ich in Ihrem gesamten Text keine inhaltliche Begründung finde. Ich gehe demgegenüber mit Marx davon aus, dass der Mechanismus der Konkurrenz um die beste Profitrate zur tendenziellen Umverteilung des Mehrwerts innerhalb der Kapitalistenklasse führt und damit eine systematische Abweichung des jeweiligen ‚Mark up‘ von dem im jeweiligen Produkt enthaltenen Mehrwert bewirkt. Im Sinne der Ausführungen von Farjoun und Machover halte ich es aber durchaus für möglich, dass diese Umverteilung nicht immer mit der Herausbildung einer Normalverteilung der beobachtbaren Profitraten um den Mittelwert der allgemeinen Profitrate einher geht.

    Nun noch eine abschließende Bemerkung, die keinen ummittelbaren Reibungspunkt zwischen unseren Texten betrifft, sondern eine unterschiedliche Betrachtungsperspektive anspricht: Mir geht es im Unterschied zu Ihnen weniger um die dogmengeschichtliche Frage, was Marx ‚wirklich meinte‘, als um die Skizzierung einer IN SEINEM GEISTE argumentierenden, in sich konsistenten und für heutige Bedürfnisse tauglichen Arbeitswerttheorie. Ob es also etwa irgendwo ein Marxzitat gibt, dem es widerspricht, wenn man das Ausmaß des gesellschaftlichen Bedarfs schon auf der Wertebene selbst ansetzt, interessiert mich weniger als die Frage, ob eine solche theoretische Annahme eine konsistente u. praktikable Werttheorie ermöglicht.

    Mit besten Wünschen für Ihre weiteren Arbeitsvorhaben und
    freundlichen Grüßen
    Karl Czasny

  11. Sehr geehrter Herr Czasny,

    Sie haben mit großer Treffsicherheit die Punkte benannt, auf die es mir ankommt. In meinem Buch werden diese Punkte ausführlich diskutiert und mit entsprechenden Aussagen aus dem Kapital Band 1 belegt. Denn mir geht es in dem Buch um die Modellierung jenes Werkes und nicht darum, eine neue Werttheorie zu erfinden. Insofern unterscheiden sich unsere Interessen, was bedeutet, dass wir wahrscheinlich nicht ins Gehege kommen. Ganz anders sieht es aus, wenn jemand so wie Heinrich behauptet, die Marx‘sche Werttheorie darzustellen. Ziemlich viele Passagen in meinem Buch sind Widerlegungen dieser Verfälschung, auch an Stellen, wo ich ihn (Heinrich) nicht explizit zitiere.

    Ich gehe davon aus, dass mit dem „Kapital“ Band 1 die objektive Wertlehre ihre bislang am meisten entwickelte Form erreicht hat. Daraus folgt, dass jeder Versuch, die Werttheorie jenseits von Marx weiter zu entwickeln, ins Abseits führt. Beispiele davon gibt’s neben Heinrich genug: Seton, Morishima, Schefold, Helmedag, etc. und auch Quaas 2001 (Arbeitsquantentheorie).

    Der Vorwurf der Linearität trifft mich nicht. Denn erstens handelt es sich um Marx‘ Theorie. Zweitens wird die Linearität schon mit dem Marktwert aufgehoben. Und drittens ist eine unterstellte Linearität allemal rationaler als die Behauptung, dass Werte sozusagen aus dem Nichts auf dem Markt hervorgezaubert werden. Ich bin Materialist.

    Mit freundlichen Grüßen
    Georg Quaas

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert