Was ist falsch an der Arbeitswerttheorie?

Exakter formuliert: Was ist falsch an der klassischen Interpretation

der Arbeitswerttheorie?

„Die Ökonomie handelt nicht von Dingen, sondern von Verhältnissen zwischen Personen und in letzter Instanz zwischen Klassen; diese Verhältnisse sind aber stets an Dinge gebunden und erscheinen als Dinge.“ (Friedrich Engels: Karl Marx „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“)

Nach Marx wird der Wert auf der Produktionsseite der Warengesellschaft „geschöpft“ und in den Waren vergegenständlicht. Mit der Formel W = c + v + m soll der Wert berechnet werden können:
Der Parameter c steht für das konstante Kapital (anteilige Kosten der Gebäude, der Maschinen, Rohstoffe, Hilfsmaterialien, Kommunikation usw.), v für das variable Kapital (anteilige Kosten der menschlichen Arbeitskräfte, d. h. sie können ihre Existenzmittel damit bezahlen) und m für den Mehrwert, das eigentliche Ziel der kapitalistischen Produktion. Der Unternehmer möchte mit dem Verkauf der produzierten Waren nicht nur die Kosten für c und v ersetzt bekommen, sondern zusätzliche Einnahmen generieren, den sogenannten Mehrwert.

Der Unternehmer kauft die Arbeitskräfte dermaßen billig ein, dass er durch deren Arbeitsergebnisse mehr erhält, als er für sie ausgegeben hat. Das wird so dargestellt, als würden sie in einen Teil ihrer Arbeitszeit bezahlt für ihn arbeiten und in einem weiteren Teil unbezahlt. Der unbezahlte Teil der Arbeitszeit, die Mehrarbeitszeit, führt zum Mehrwert.

Wert als gesellschaftliches Verhältnis

Doch der Wert ist ein gesellschaftliches Verhältnis, ein Verhältnis zwischen Menschen. Es wird von Menschen auf der gesellschaftlichen Ebene gebildet und wirkt nur dort. Der Wert kann demzufolge nicht produziert werden wie ein Tisch. Er hat Gemeinsamkeiten mit dem gesellschaftlichen Verhältnis Eigentum. Das wird ebenfalls von Menschen auf der gesellschaftlichen Ebene gebildet und wirkt nur dort, und zwar zwischen dem Inhaber des Eigentums und der gesamten Gesellschaft, im Normalfall weit darüber hinaus.

Wertbildung beim Tausch

Das gesellschaftliche Verhältnis Wert bilden die Tauschpartner untereinander. Das Ziel ist der wertäquivalente Tausch von Ware gegen Wertäquivalent (fast immer in Form von Geld):

„Ein Arbeitsprodukt, für sich isoliert betrachtet, ist also nicht Werth, so wenig wie es Waare ist. Es wird nur Werth, in seiner Einheit mit andrem Arbeitsprodukt, oder in dem Verhältniß, worin die verschiedenen Arbeitsprodukte, als Krystalle derselben Einheit, der menschlichen Arbeit, einander gleichgesetzt sind.“ Karl Marx: MEGA II/6, 31

Tausch und Wert

Mit der Produktion von (zunächst nur potenziellen Waren) können nur Bezugspunkte für Wertverhältnisse geschaffen werden. Der Wert wird beim Tausch gebildet. Das zeigt die Wertformel. Der Käufer gibt auf dem Markt aus seinem Eigentum das Wertäquivalent an den Unternehmer (vereinfachte Darstellung ohne den Handel), der wiederum dafür aus seinem Eigentum die Ware an den Käufer gibt. In dem Moment des Tauschs wird der Wert gebildet:

W|real = c|Kosten ersetzend + v|Kosten ersetzend + m|real.

Mit „Kosten ersetzend“ wird der Sachverhalt beschrieben, dass der Mehrwert m nur zustande kommt, wenn der Käufer zunächst c und v ersetzt. Die Produktionskosten gehen folglich nicht direkt in den Wert ein, sondern vermittelt über den Käufer. So kann es zu Situationen kommen, dass er nicht bereit ist, c und v voll zu ersetzen, der Unternehmer jedoch, aus welchen Gründen auch immer, seine Ware loswerden will und er sie folglich ohne vollständigen Ersatz von c und v verkaufen muss. Einen Mehrwert würde der Unternehmer dann auf keinen Fall bekommen. Sämtliche aufgewandte Arbeitszeit wäre damit notwendige Arbeitszeit und diese würde noch nicht einmal dafür ausreichen, Ersatz für die Aufwendungen zu generieren – der Unternehmer würde Verlust machen.

Die Parameterangabe m|real steht für den wirklichen Mehrwert. Den bezahlt der Kunde. Positiv ist dieser Parameterwert, wenn der Kunde c und v ersetzt und noch mehr bezahlt. Der reale Mehrwert ist das Ziel der kapitalistischen Produktion (und auch der anderen bisher bekannten Formen der Warenwirtschaft).

Produktion und Erwartungswert

Mit der Produktion der potenziellen Waren werden nur Bezugspunkte für mögliche Wertverhältnisse geschaffen. Für diese kann nur ein Erwartungswert berechnet werden:

W|erwartet = c|Kostenfaktor; Ersatz erwartet + v|Kostenfaktor; Ersatz erwartet + m|erwartet.

Der Mehrwert kann auf der Produktionsseite der Warengesellschaft nur geschätzt werden. Die Kosten, für die die Parameter c und v stehen, sind bekannt. Sie gehen aber nur indirekt in die Wertberechnung ein, vermittelt über Bewusstseinsprozesse des Käufers, der diese Kosten im Normalfall für eine Weiterführung der Produktion ersetzen muss – nur deren Ersatz ermöglicht die Wertberechnung. Werden c und v vom Käufer nicht vollständig ersetzt, kann auch kein Mehrwert zustande kommen. Dass er sie ersetzt, kann aber nicht als gegeben in die potenziellen Waren eingebaut werden – Produktion führt nicht zwangsweise zum Wert.

Dazu Karl Marx:
„Die Gebrauchswerte der Waren werden also als Gebrauchswerte, indem sie allseitig die Stellen wechseln, aus der Hand, worin sie Tauschmittel, übergehen in die Hand, worin sie Gebrauchsgegenstände. Nur durch diese allseitige Entäußerung der Waren wird die in ihnen enthaltene Arbeit nützliche Arbeit.“ (Zur Kritik der politischen Ökonomie, S. 12)

Damit sagt Marx, dass die für die Ware aufgewandte Arbeit nur gesellschaftlich nützlich und somit wertbildend wird (siehe Zitat oben aus MEGA II/6, 31), wenn das Arbeitsergebnis getauscht wird. Nur gesellschaftlich nützliche Arbeit ist wertbildende Arbeit. Wird eine potenzielle Ware nicht verkauft, war die dafür aufgewandte Arbeit sogenannte private Arbeit – das Resultat verbleibt im Eigentum des Unternehmers. Er kann sich zwar einen „Wert“ für sein unverkäufliches Produkt errechnen, für den ökonomischen Bereich der Gesellschaft ist das völlig uninteressant (Nur der Ressourcenverbrauch für dieses Produkt wird einige erfreuen).

Das, was oben beschrieben ist, soll an dieser Stelle grafisch dargestellt werden:

Bild 1: Darstellung der gesellschaftlichen Verhältnisse Eigentum und Wert

Auf dem Bild sind die zwei gesellschaftlichen Verhältnisse dargestellt, das Eigentum und der Wert. Beiden gemeinsam ist u. a., dass sie nur auf der gesellschaftlichen Ebene wirken und folglich nicht vergegenständlicht werden können.

Eigentum

Das Eigentum auf der linken Bildseite wirkt zwischen dem Inhaber des Eigentums und der gesamten Gesellschaft sowie darüber hinaus. Der Bezugspunkt des Eigentums ist in diesem Fall ein Haus in seiner physischen Existenz. Als Eigentum existiert das Haus aber nur auf der gesellschaftlichen Ebene. Der Eigentümer kann sich einen Erwartungswert für dieses Haus bilden. Diesen könnte er als Angebotspreis mit dem Haus verbinden. Dann hätten wir auf der linken Seite des Bildes, wertverhältnismäßig gesehen, die gleiche Situation wie auf der rechten Seite beim Unternehmer. In diesem Beispiel unterlässt der Eigentümer den Versuch des Verkaufs, um das Haus als Eigentum zu behalten.

Wert

Der Wert auf der rechten Seite wirkt zwischen Tauschpartnern, um Ware gegen Wertäquivalent, meistens in Form von Geld, zu tauschen.

Der Unternehmer ließ eine potenzielle Ware produzieren und errechnete sich aus den entstandenen Kosten für c und v sowie dem erwarteten Mehrwert einen Erwartungswert für seine potenzielle Ware. In diesem Beispiel kam er auf die Wertgröße von €199.

Seine mit dem Erwartungswert in Form des Angebotspreises verbundene potenzielle Ware bot er auf dem Markt an. Damit initiierte er einseitig ein Wertverhältnis (das zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig war, denn es fehlte ein Partner).

Gemeinsame Wertgröße

Ein potenzieller Käufer sah das Produkt und wollte es gern kaufen. Damit machte er sich bereits zum Tauschpartner des Unternehmers im Wertverhältnis. Er sah zwar den Angebotspreis, dachte sich aber, dass er höchstens €150 dafür ausgeben würde. Im Dialog einigten sich beide auf die gemeinsame Wertgröße von €180. Im Anschluss konnten sie Ware gegen Wertäquivalent tauschen und damit das Wertverhältnis zu einem erfolgreichen Abschluss bringen.

Die gemeinsame Wertgröße ist eine objektive Größe.

Sie kann von keinem der Tauschpartner, im Vergleich zu den vorangegangenen ideellen Wertvorstellungen jedes einzelnen, einseitig geändert werden, ohne das Wertverhältnis zu zerstören, da die gemeinsame Wertgröße auf der gesellschaftlichen Ebene existiert. Sie wurde aus ideellen Wertvorstellungen hervorgebracht und benötigt die ideellen Anteile als Basispunkte für den objektiven Anteil. Das bedeutet, dass der Wert einen objektiven, aber auch ideelle Anteile hat, so wie das Eigentum neben dem objektiven auch einen ideellen Anteil hat. Das muss bei einem gesellschaftlichen Verhältnis so sein, denn es kann nicht von der Gesellschaft und damit nicht von den Menschen getrennt werden.
Den objektiven Charakter dieser Wertgröße erfahren die Tauschpartner zudem dadurch, dass völlig objektiv ihre Kaufkraftverhältnis zueinander und ihre Kaufkraft gegenüber der Gesellschaft (besser: gegenüber dem Währungsgebiet) mit dem Tausch um diese objektive Größe verändert wurde und das in Verbindung mit der Eigentumsänderung bezogen auf das gewünschte Produkt. Für die Gesellschaft ist diese Wertgröße ebenso völlig objektiv, denn sie steht auf dem Kaufvertrag und der Käufer muss dafür objektiv u. a. die Mehrwertsteuer entrichten.

Ergänzung Wert der Arbeitskräfte

Ein Wertverhältnis bauen die Inhaber von Eigentum miteinander auf, um ihr Eigentum wertäquivalent untereinander zu tauschen.
So bietet z. B. ein Unternehmer seine potenziellen Waren zum Tausch an. Mit der Wertformel kann deutlich gemacht werden, wie er sich seine Erwartungswerte für diese potenziellen Waren errechnet: W|erwartet = c|Kostenfaktor; Ersatz erwartet + v|Kostenfaktor; Ersatz erwartet + m|erwartet.

Die Inhaber der Tauschobjekte das Wertverhältnis auf

Gegenüber den Käufern macht der Unternehmer jedoch weder die einzelnen Bestandteile seines Erwartungswertes geltend, noch treten die Arbeitskräfte und Zulieferer als Geschäftspartner dem Käufer gegenüber – der Unternehmer ist, als Eigentümer der potenziellen Waren, der Ansprechpartner des Käufers. Und er stellt die Erwartungswerte seiner Wertäquivalentforderungen in ihrer Gesamtheit in Form von Angebotspreisen den Kaufinteressen der Kunden gegenüber.

Die Kosten für c und v gehen nur vermittelt in den Erwartungswert ein
Damit gehen die Werte der Arbeitskräfte (Variable v) nur vermittelt über den Eigentümer der Ware in den Erwartungswert ein. Üblicherweise wird ein Unternehmer dabei die Werte der Arbeitskräfte und die der festen bzw. relativ festen Kosten (Variable c) in den Erwartungswert einbeziehen müssen. Für seine eigene Arbeitskraft könnte sein bis dahin übliches Einkommen aus allen erfolgten Warenverkäufen in die Erwartungswertgröße eingehen. Die Höhe des erwarteten Mehrwerts wird sich im Normalfall nach den üblichen Mehrwerten, die das Unternehmen generieren kann, richten.

Der Inhaber des Tauschobjektes bestimmt, wie die Kosten c und v sowie der erwartete Mehrwert in den Erwartungswert eingehen

Doch ob der Unternehmer seine Ansprüche auf Gegenleistung in dieser Art in jedem Fall vertritt, ist nicht sicher. Für besonders gute Design- oder Technologie-Ideen usw. könnte er vom Durchschnitt abweichen. Ebenso könnten seine Marktbeobachtungen ergeben, dass die Gefahr besteht, dass niemand seine aktuellen Produkte kaufen würde, sollte er nicht seine Erwartungswerte in Form der Angebotspreise senken.
Doch auch für z. B. Werbemaßnahmen kann er auf sämtliche Gegenleistungen für bestimmte Produkte verzichten, so dass er weder Mehrwerte noch Ersatz für die Aufwendungen für c und v erhalten wird. Bei typischen Werbegeschenken ist das der Fall.

Somit kann festgestellt werden, dass in W|erwartet üblicherweise direkt sämtliche anteilig entstandenen Kosten für die produzierten potenziellen Waren sowie die erwarteten Mehrwerte, welche die „Stärke des Anbieters“ im gegebenen gesellschaftlichen und natürlichen Umfeld widerspiegeln, eingehen.

Auf diese Art lassen sich mit der Arbeitswerttheorie auch die Werte, die bezogen auf Kunstwerke, Patente, Literatur, archäologische Fundstücke usw. herausgebildet werden, erklären.

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