„Krise und Ordnung“

Fortsetzung einer Diskussion, die auf dem Forum für „Wirtschaftliche Freiheit“ begonnen und abgebrochen wurde…

Am 29. Februar 2012 veröffentlichte die Webseite „Wirtschaftliche Freiheit” einen Beitrag von Gunther Schnabl und Björn Urbansky unter dem Titel „Krise und Ordnung: Vom Markt zum Staat”. Die von den Autoren selbst gestellte Frage „Leben wir bereits in einer neuen Wirtschaftsordnung, in der der Staat die zentrale Rolle spielt?” beantworten sie positiv.

Unser Wirtschaftssystem wandelt sich von einer spontanen zu einer geplanten Ordnung. Die Politik vergisst bei ihren gut gemeinten Rettungsmaßnahmen, dass es „eine der Hauptaufgaben des Wettbewerbs [ist], zu zeigen, welche Pläne falsch sind“ (Hayek 1979). Ist dies nicht mehr der Fall, dann werden bestehende verzerrte Strukturen zementiert. Mehr Staat stabilisiert zwar kurzfristig die Wirtschaftsordnung, verhindert aber mittelfristig die nötigen Anpassungsmaßnahmen und lähmt langfristig die Wachstumsdynamik. Kein Land zeigt dies besser als Japan, das trotz mehr als zehn Jahren Nullzinspolitik und nach über 20 Jahren keynesianischer Nachfragepolitik nicht zurück auf den Wachstumspfad gekehrt ist. Kein guter Ausblick, auch nicht für Europa! Aber nicht unrealistisch! (Schnabl/Urbansky).

Der Theoretische Rahmen dieser Situationseinschätzung wird von Hayeks Theorie der spontanen und der geplanten (abstrakten) Ordnungen abgeleitet. Auf der gleichen begrifflichen Grundlage habe ich einen kritischen Kommentar, der sich vor allem gegen die Situationseinschätzung und die kurzschlüssige Anwendung jener Begriffe wendet, verfasst und am 11.03.2012 gegen 10 Uhr eingestellt. Die Freischaltung, die in der Regel auch am Wochenende kurzfristig erfolgt, erfolgte sehr zögerlich nach 2 Tagen und erst, nachdem ich interveniert hatte. Prof. Dr. Norbert Berthold stellte mir gegenüber klar, dass nicht ER, sondern seine Mitarbeiter die Kommentare auf „Wirtschaftliche Freiheit“ moderieren. Er betonte, dass ein Anspruch auf Veröffentlichung der Kommentare nicht bestehe und im Fall einer Ablehung auch keine Begründung erfolge.

Sicher ist kein Webseitenbetreiber verpflichtet, jede Meinungsäußerung zu publizieren. Doch sollte man von einem libertären Diskussionsforum erwarten, dass es dabei den denkbar weitesten Spielraum lässt. Der Leser möge sich selbst davon überzeugen, wie ein Text beschaffen sein muss, wenn die liberalen Vordenker der „Wirtschaftlichen Freiheit” offenbar Bedenken haben (Kritik 1) oder gar die Notbremse ziehen (Kritik 2). – Vielleicht lässt mich der eine oder die andere nach der Lektüre wissen, was er oder sie dabei Anstößiges herausgefunden hat:

Hier meine Kritik Nr.1 – die mit Verzögerung veröffentlicht wurde:

Die Realität als Mischung von Strukturen zu betrachten, die durch solche idealtypischen Begriffe wie „Taxis” und „Kosmos” klassifiziert werden, um dann eine konkrete Situation auf dem Spektrum jener Extreme zu lokalisieren, ist der analytische Ansatz des Beitrages von Schnabl und Urbansky. Auf dieser Grundlage soll die These plausibel gemacht werden, dass sich (zumindest) Europa auf dem Weg zu einem Mehr an staatlichen (geplanten) Strukturen befindet. (Die Konservativen der Vereinigten Staaten behaupten dasselbe für ihr Land.) Hayek nannte das den Weg in die Knechtschaft. Mit Blick auf ACTA und andere Planungen könnte man schon dieser Meinung sein. In Bezug auf die europäische Wirtschaftspolitik irren die Autoren sowohl grundsätzlich als auch in ihrer Situationseinschätzung.

(i) Es ist eine typisch wirtschaftspolitische Illusion, dass die geplante Ordnung den Rahmen für die spontane Ordnung darstellt. Geplante Ordnungen sind nichts als Inseln im Meer spontaner Ordnungen, die man heutzutage auf wissenschaftlichem Niveau mit Hilfe der Chaostheorie beschreibt.
(ii) Geplante Ordnungen sind für uns Menschen (über-) lebenswichtig. Deshalb versuchen wir, im Kosmos unsere Ordnungen zu etablieren, was allerdings immer nur partiell und zeitweilig gelingt.
(iii) Gegenwärtig versuchen die Leader der europäischen Staaten verzweifelt, eine geplante und bereits installierte Ordnung aufrecht zu erhalten. Ob es ihnen gelingt, bleibt abzuwarten.
(iv) Bezogen auf Europa ist es also so, dass die von zahlreichen Staaten errichtete Ordnung durch die Finanzmärkte absichtlich oder spontan (wer weiß das schon so genau?) im Kernbereich angegriffen und teilweise zerstört wurde. Europa versucht, verloren gegangene Positionen im Interesse der Gemeinschaft und der globalen Wirtschaft wieder zu erlangen. Vorerst ist die Situation also durch kein Mehr, sondern durch ein Weniger an staatlich etablierter Ordnung gekennzeichnet.

Den Finanzmärkten diese Möglichkeit, auf die europäischen Staaten einzuwirken, einzuräumen, war kein Fehler, sondern ein absichtlich installiertes Strukturelement, das beibehalten werden muss (und – deutet man Merkels Strategie richtig – beibehalten werden soll): In Anbetracht der politischen Schwierigkeiten, souveräne Staaten zu einer „vernünftigen” Haushaltspolitik zu bewegen, muss diese Aufgabe (oder besser gesagt: Funktion) der spontanen Ordnung der Finanzmärkte überlassen bleiben.

Zusammenfassend gesagt: Sowohl das Weltbild der Autoren (weniger das von Hayek), als auch ihre Beurteilung der Situation sind schräg; sie gehen an der Realität vorbei. Der Beitrag ist nichts weiter als Teil einer weltweiten Kampagne, Hayek gegen Keynes in Stellung zu bringen – ungeachtet der theoretischen Entwicklungen und empirischen Einsichten, die im Verlauf von ca. 70 Jahren akkumuliert worden sind. Bevor man die Debatten der 30er Jahre noch einmal führt, sollte man sie zur Kenntnis nehmen. Logisch widersprüchliche Theorien wie die des Hayekschen Dreiecks – Grundlage der Überinvestitionstheorie – werden durch Zeitablauf nicht besser.

Darauf antwortete Björn Urbansky wie folgt (und durfte das letzte Wort behalten):

An Herrn Quaas:
Sie schreiben: „Es ist eine typisch wirtschaftspolitische Illusion, dass die geplante Ordnung den Rahmen für die spontane Ordnung darstellt. Geplante Ordnungen sind nichts als Inseln im Meer spontaner Ordnungen, die man heutzutage auf wissenschaftlichem Niveau mit Hilfe der Chaostheorie beschreibt.”

Bei Hayek entsteht die spontane Ordnung auf Basis der abstrakten Ordnung. Die abstrakte Ordnung entsteht nach Hayek großteils spontan. Sie besteht aus Regeln, Gesetzmäßigkeiten, Traditionen u.a.. Der Rechtsrahmen ist bei Hayek Teil der abstrakten Ordnung. Die Politik darf dieses Rahmenwerk anpassen (siehe Antwort 1 von „Die Autoren”).

Weiter schreiben Sie: „Bezogen auf Europa ist es also so, dass die von zahlreichen Staaten errichtete Ordnung durch die Finazmärkte absichtlich oder spontan (wer weiß das schon so genau?) im Kernbereich angegriffen und teilweise zerstört wurde. Europa versucht, verloren gegangene Positionen im Interesse der Gemeinschaft und der globalen Wirtschaft wieder zu erlangen. Vorerst ist die Situation also durch kein Mehr, sondern durch ein Weniger an staatlich etablierter Ordnung gekennzeichnet.”

Nach Hayek ist der Euro eine geplante Ordnung. Der Euro ist durch die Krise in Bedrängnis geraten. Um die geplante Ordnung zu erhalten, haben die Staaten mit weiteren Staatseingriffen reagiert (Fiskalunion, Rettungsschirm, Rettungspakete). In „Recht, Gesetz und Freiheit” findet sich ein passendes Zitat: „Die ‚Notwendigkeiten‘ der Politik sind im allgemeinen Folgen früherer Maßnahmen”.

Weiter schreiben Sie: „Zusammenfassend gesagt: Sowohl das Weltbild der Autoren (weniger das von Hayek), als auch ihre Beurteilung der Situation sind schräg; sie gehen an der Realität vorbei. Der Beitrag ist nichts weiter als Teil einer weltweiten Kampagne, Hayek gegen Keynes in Stellung zu bringen – ungeachtet der theoretischen Entwicklungen und empirischen Einsichten, die im Verlauf von ca. 70 Jahren akkumuliert worden sind. Bevor man die Debatten der 30er Jahre noch einmal führt, sollte man sie zur Kenntnis nehmen. Logisch widersprüchliche Theorien wie die des Hayekschen Dreiecks – Grundlage der Überinvestitionstheorie – werden durch Zeitablauf nicht besser.”

Hier kritisieren Sie die „Überinvestitionstheorie” und das „Hayeksche Dreieck”. Diese sind nicht Bestandteil unseres Beitrags. Wir beziehen uns nicht auf den frühen, sondern auf den späteren Hayek. Entsprechend sind die Werke von 1973/1982 für unseren Beitrag relevant. Die Werke sind noch keine 70 Jahre alt.

Für weitere Anregungen bin ich offen. Meine Zimmernummer lautet I238.

Am 15. März postete ich folgende Replik. Sie wurde von „Wirtschaftlicher Freiheit“ unterdrückt, so dass der Eindruck entsteht, Herr Urbansky hätte mit seiner Antwort wohl ins Schwarze getroffen:

Ignoratio non est argumentum (Spinoza)

Bei Hayek entsteht die spontane Ordnung NICHT auf Basis der abstrakten Ordnung, sondern ist das zumeist unbewusste und unbeabsichtigte Resultat menschlichen Handelns. Dafür gibt es zahlreiche Belegstellen, ich nenne nur (weil ich das gerade zur Hand habe) die Freiburger Studien, Tübingen 1969. Auf den Seiten 32 – 42 werden Sie garantiert fündig.

Ihre Darlegungen zusammen mit Schnabl sind auch insofern schief, als Sie mit dem Satz „Die abstrakte Ordnung bildet den Rahmen der spontanen Ordnung” einen falschen Gegensatz konstruieren. Bei Hayek geht es um die spontan entstandene Ordnung, die er in Ermangelung eines passenden deutschen Wortes „Kosmos” nennt, auf der einen Seite und um die durch ordnende Tätigkeit entstandene „Taxis” auf der anderen. Die abstakten Ordnungen – wie zum Bespiel das Recht – können unter beiden Aspekten betrachtet werden.

Außerdem gibt es – wiederum nach Hayek – eine Wechselwirkung zwischen den beiden Ordnungen, deshalb kann sich beispielsweise (S. 209:) eine spontane Ordnung … zum Teil auf Regelmäßigkeiten stützen, die nicht spontan, sondern befohlen sind.

Darauf KÖNNTEN Sie sich berufen. Da dieses partielle Verhältnis für Sie aber ein grundlegendes ist, muss man Ihr Verständnis als einseitige und beschränkte Interpretation qualifizieren.

Aber selbst WENN Sie Hayek richtig wiedergegeben hätten, bliebe immer noch die Frage, welchen Realitätsgehalt jene 70 Jahre alten philosophischen Kategorien haben. Zwar schreiben Sie, dass es auch Ihnen um Erkenntnis der Realität geht, scheinen aber nicht einmal zu ahnen, dass die von Ihnen verwendeten Hayekschen Begriffe kritisch befragt werden müssen. Ich habe mich mit ontologischen Fragen vor mehr als 20 Jahren in Ethik und Sozialwissenschaften (1991 Heft 2) sowohl kritisch als auch selbstkritisch auseinandergesetzt. Wo finde ich Ihre Arbeiten dazu? Etwa im Zimmer I 238?

Trotzdem – schön, dass Sie repliziert haben! Andere aus Ihrer Schule halten das nicht für nötig. Bedauerlicherweise ist auch bei einigen New Austrians in Vergessenheit geraten, dass Karl Raimund Popper von Hayek so sehr geschätzt wurde, dass letzterer ihn an die LSE holte. Für Popper war Kritik die wesentlichste Institution, durch die sich Wissenschaft von anderen meinungsbildenden und –verbreitenden Institutionen abhebt. Und der Kern von Kritik als Institution besteht darin, Darstellungen, die mit dem Anspruch daherkommen, wissenschaftlich zu sein, zu überprüfen – an anderen Symbolkomplexen, wenn es sich um eine Interpretation handelt (die hermeneutische Methode), an der Logik, wenn es sich um eine Theorie handelt, und an der Erfahrung, wenn diese Theorie etwas über die Wirklichkeit behauptet. Nach dem liberalen Denker Richard M. Hare lässt sich die kritische Haltung auch auf die Moral ausdehnen. Ich geb’ Ihnen ein Beispiel, nämlich die Regel: „Ältere Kollegen müssen sich von der Weisheit der jüngeren belehren lassen, bevor sie eine öffentliche Kritik schreiben.” Oder sollte es nicht eher umgekehrt sein? Das kann man leicht anhand eines rein gedanklich durchführbaren Rollentausches überprüfen. Und sie sehen: Eine kritisch-rationalistische Einstellung erkennt man nicht nur an den Sätzen, die ein Wissenschaftler produziert, sondern z.B. auch daran, mit welchen Ansprüchen er anderen gegenüber tritt. Was war gleich Ihre Zimmernummer?

Ein Gedanke zu „„Krise und Ordnung“

  1. Das trifft sich ja gut. Da der Blog „Wirtschaftliche Freiheit“ offenbar tatsächlich zensiert bzw. Diskussionen abbricht, möchte ich meine zweite Antwort auf den Beitrag von Gunther Schnabl und Björn Urbansky (http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=8675) an dieser Stelle öffentlich machen.

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    @ Edward:

    Sie schrieben: „Die Kritik [Meine Kritik vom 6. März 2012 um 09:49 Uhr, A. M-A.] vergisst aber, dass es sich um einen Blogbeitrag handelt.
    Solche Beiträge verkürzen, sind manchmal provokativ aber transportieren eine Message. Sonst liest sie auch keiner“.

    Wenn es sich bei den Autoren um Bachelor- oder Master-Studierende handeln würde, könnte ich Ihnen zustimmen. Aber hier verhält es sich ganz anders. Beide Autoren sind – glaubt man Ihren Aussagen – in einem Institut für Wirtschaftspolitik tätig: Den Autoren sollten daher zumindest bestimmte Begriffe geläufig sein (z. B. Wirtschaftsordnung vs. Wirtschaftssystem). Stellen Sie sich bitte einmal vor, was Studierenden blüht, wenn sie sich ebenfalls in solchen Leichtfertigkeiten ergingen. Und bedenken Sie, dass Studierende in ihren Arbeiten für gewöhnlich auch nicht viel mehr Zeit/ Platz zur Verfügung steht, als Sie den Autoren im Blog „Wirtschaftliche Freiheit“ zubilligen.

    Das gilt vor allem für den Begriff „Soziale Marktwirtschaft“. Schließlich scheint einer der beiden Autoren, Herr Schnabl, im Zuge seiner Tätigkeiten für diverse ThinkTanks mit dem Begriff der Sozialen Marktwirtschaft oft genug in Kontakt gekommen zu sein, um es ausgesprochen erstaunlich wirken zu lassen, wenn in den von ihm mitzuverantwortenden Antworten auf einmal von der „sozialen [sic!] Marktwirtschaft“ zu lesen ist. Das ist kein kleiner Flüchtigkeitsfehler mehr, sondern für Ökonomen, die sich angeblich mit Wirtschaftspolitik beschäftigen, ein geradezu extrem peinlichen Fehlgriff! (Zumal im Kontext von den „Väter[n] der sozialen [sic!] Marktwirtschaft“.) Warum hier also andere Maßstäbe anlegen, als bei Studierenden?

    Ferner schrieben Sie: „Haben die Autoren nicht recht, wenn sie schreiben, dass wir einen Schritt vom Markt zum Staat beobachten? Wäre sowas innerhalb eines hayekianischen Rahmens wünschenswert? Ich glaube nicht!“

    Weiter unten werde ich dazu Stellung genommen: Der Umstand, dass angesichts der Krisenzustände ein staatliches Handeln zu beobachten war, ist recht banal. Und innerhalb des hayekianischen Rahmens mögen Sie vielleicht recht haben.

    Allerdings begnügen sich die Autoren nicht mit ihrem Hayek-Ansatz, sondern wollen die idealistischen Ansätze nutzen, um die „Realität“ zu verstehen. Die Frage ist dann vor allem, in welchem (realgeschichtlichen) Kontext diese Ansätze stehen, angewendet werden sollen und was daraus folgen soll. Würde uns dieser hayeksche Idealismus nicht ggf. zur Untätigkeit verdammen? Was bedeutet dieser Idealismus angesichts dessen, dass weltweit (!) nach Möglichkeiten gesucht wird, die Finanzmärkte zu regulieren?

    Die Autoren könnten sich natürlich auf die Position verlegen, dass wir jetzt noch mehr Deregulierung als vor der Krise/ den Krisen benötigen. Eine Position, die zur Zeit sicherlich für viel Diskussionsstoff sorgen und womöglich den Vorwurf einer gewissen Lernresistenz oder Wirklichkeitsverneinung heraufbeschwören würde. Darüber ließe sich dann trefflich streiten und ich würde den Autoren zumindest Respekt für so viel Mut zollen, falls sie sich eine solche Position zu Eigen zu machten. Aber genau da kneifen sie und gefallen sich stattdessen darin, mit dem idealistischen Hayek-Konstrukt herumzuorakeln.

    @ Gunther Schnabl und Björn Urbansky (Autoren):

    1) Wenn Sie darauf bestehen, dass die „Theorie“ der spontanen Ordnung ein theoretisches Konzept sei, fragt sich, wie sie dieses theoretische Konzept so leichtfertig auf die „Wirklichkeit“ anwenden. Ist Ihnen die Unterscheidung in „Realtypen“ und „Idealtypen“ überhaupt ein Begriff? Oder werfen sie beides ebenso leichtfertig durcheinander, wie die Begriffe „Wirtschaftsordnung“ und „Wirtschaftssystem“?

    Sie könnten auch mal klären, ob die „Varianten“ zwischen Ihren Idealen „spontaner“ und „geplanter“ Ordnung auch wieder Idealtypen sein sollen oder damit Realtypen gemeint sind.

    2) Sie nannten die „soziale [sic!] Marktwirtschaft“ und gleich im Anschluss schrieben sie von unserer „Wirtschaftsordnung/Wirtschaftssystem“, die/ das einen Mittellösung darstellt. Ist diese Mittellösung jetzt auch als Idealtyp gemeint? Meinen Sie, dass der in Deutschland real praktizierte Wirtschaftsstil eine Soziale Marktwirtschaft sei oder meinen Sie etwas ganz anderes, wenn Sie von unserer Wirtschaftsordnung schreiben?

    3) Darüber zu diskutieren, welchen Grad an Staat und Markt „die Väter der sozialen [sic!] Marktwirtschaft“ bei der Sozialen Marktwirtschaft tatsächlich im Sinn hatten, kann unter den ausgewiesenen Experten in ökonomischer Ideengeschichte und Wirtschaftstheorie sicher interessant sein. Allerdings scheinen Ihre Einwürfe insoweit von einem statischen Wirtschaftsdenken getragen, als Sie damit – bewusst oder unbewusst – dem Eindruck Vorschub leisten, dass jenes Maß an Markt und Staat, dass bei der Einführung der Sozialen Marktwirtschaft galt, auch heute gelten müsste. Das wäre eine im weitesten Sinne zumindest auch normative Frage, die Sie in Ihren Beiträgen keineswegs beantworten.

    4) Sie schrieben: „Eine der Kernaussagen unseres Beitrags ist es, dass die Interventionen in der Krise zu einer deutlichen Verschiebung unser Wirtschaftsordnung auf der Skala weg von der spontanen Ordnung hin zur geplanten Ordnung geführt hat“.

    Auf der Ebene Ihrer idealistischen „spontanen“ und „geplanten“ Ordnung ist diese Feststellung trivial. Da Sie aber Bezug zur real erfahrbaren Wirtschaftspolitik nehmen, fehlt schlicht ein Referenzpunkt dafür, was eine „deutliche Verschiebung“ bedeutet. Möglicherweise kann diese „deutliche Verschiebung“ ebenso deutlich in Richtung Soziale Marktwirtschaft führen. Stattdessen stochern Sie mit Ihren Aussagen im Nebel idealistischer Konzepte herum (ohne auch nur darauf einzugehen, was die Übertragung dieser theoretischen Konzepte auf die real erfahrbare Lebenswirklichkeit rechtfertigt).

    5) Sie schrieben: „Sie sehen too big to fail als Folge eines Marktprozesses: Der freie Wettbewerb (Deregulierung) auf den Finanzmärkten führt dazu, dass zu große Finanzinstitute entstehen, die mit Rettung bei Fehlspekulation rechnen können“.

    Den Automatismus, den Sie mir hier impliziert unterstellen, habe ich so nicht behauptet! Und natürlich ist auch eine andere Sichtweise möglich. Allerdings hat es schon etwas Merkwürdiges, dass Sie einfach so behaupten, die Rettungsaktionen der Staaten hätten das too big to fail bewerkstelligt. Verdrehen Sie da nicht Ursache und Wirkung?

    Die – wie mancherorts zu lesen war – „erpresserische“ Wirkung des Bankensektors bestand ja gerade darin, dass er too big to fail war, bevor (!) bzw. um (!) die Rettungspakte zu erzwingen. Natürlich ist klar, dass eine Bank, die vor den Rettungspaketen „too big to fail“ war, nach den Segnungen solcher Rettungspakete sicher nicht weniger „too big to fail“ sein wird. Wenn es das ist, was Sie meinen, dann kritisieren Sie das zu Recht.

    Was Sie aber völlig aus dem Blick verlieren, ist der Umstand, auf den Sie bereits in anderen Beiträgen hingewiesen wurden: Auch ihre idealistischen „spontanen“ Ordnungen könnten Ordnungen hervorrufen, die dann in eine „geplante“ Ordnung führen (denken Sie z. B. an natürliche Monopole, was aber ausdrücklich (!!!) nicht bedeutet, dass ich die Bankenmisere diesem Phänomen zuschreibe).

    6) Sie schrieben: „Unsere Empfehlung vor der Krise wäre gewesen: Ein klarer Rechtsrahmen, der Freiheit und Haftung definiert. In den letzten 20 bis 30 Jahren war hingegen ein Prozess der Deregulierung zu erleben bei gleichzeitiger Schaffung eines Sicherheitsnetzes gegen die Risiken von Spekulation.“

    Ich würde gerne wissen, was dieses „gleichzeitige Sicherheitsnetz“ bedeuten soll. Glauben Sie ernsthaft, dass die Regierungen in dem Bewusstsein dereguliert haben, den Banken dann die Haftung für Krisen abzunehmen? Das Sicherheitsnetz, das der Staat gleichzeitig (!) mit der Deregulierung des Finanzsektors eingezogen hat, ist mir offen gestanden verborgen geblieben. Aber vielleicht können Sie mich mit konkreten Beispielen (Gesetzen, Maßnahmen usw.) vom Gegenteil überzeugen. Abgesehen davon: Unterschlagen Sie nicht auch die Rolle des Interbankenmarktes?

    Außerdem ist es widersprüchlich, auf der einen Seite zu beklagen, der Staat hätte zu stark eingegriffen, dann aber auf der anderen Seite einen klaren Rechtsrahmen für Freiheit und Haftung zu fordern. Können Sie mir bitte erklären, wer diese Haftung durchsetzen soll? Rein institutionsökonomisch oder ordnungspolitisch betrachtet, müsste dann doch wieder der Staat aktiv werden, weil bei ihm letztlich die Sanktionskraft für Verstöße liegt.

    Das Problem ist, dass Sie einerseits monieren, der Staat würde derzeit zu viel intervenieren, andererseits räumen Sie ein, dass der Staat „den Rechts-/Ordnungsrahmen durchaus anpassen“ soll. Dann fordern Sie wieder einen klaren Regelrahmen, in der Freiheit und Haftung definiert sei. Doch zur Herstellung einer Ordnung, in der Haftung übernommen wird, wird es wohl oder übel staatlicher Maßnahmen bedürfen – da Sie aber das Gespenst einer „geplanten“ Ordnung umher wandeln sehen, müssten Sie jedoch sämtliche Regulierungsmaßnahmen staatlicherseits ablehnen.

    Mit Ihrer Fixierung auf Hayek verunmöglichen Sie somit jegliche Regulierung, die angesichts der Krisenzustände in Angriff genommen wurde/ wird oder werden soll (sollte).

    Jetzt will ich Ihnen gerne zugestehen, dass Sie eine andere Meinung haben und womöglich nach dem Motto „Mehr Markt, einen besseren Markt!“ (Karl Homann) gegen sämtliche Regulierungsmaßnahmen sind. Dann wäre es aber redlicher, sich auch ganz konkret so zu äußern, anstatt sich hinter dem idealistischen Ordnungskonzept von Hayek zu verstecken!

    6) In Ihrem Eingangsbeitrag schrieben Sie von abstrakten Ordnungen. Aber was ist das? Wenn Sie die abstrakte Ordnung mit dem Rechts- und Regelrahmen gleichsetzen, wo ist dann der Unterschied zu staatlichem Handeln? Wodurch unterscheidet sich ein positiver Ordnungsrahmen vom abstrakten Regelrahmen, den Sie immer wieder anführen? Was ist mit informellen Regeln? Beispielsweise einem Ethik-Kodex, den sich ein Unternehmen selbst geben kann? Oder denken Sie an jenen Vorstoß der amerikanischen Kollegen, Ethik-Regeln für die Ökonomik zu installieren? Woher kommt die abstrakte Ordnung? Wer legt sie fest? Sie müssen dazu Stellung nehmen, wollen Sie sich nicht dem berechtigten Vorwurf aussetzen, mit dem Begriff reinste Metaphysik zu betreiben!

    7) Sie schrieben am Ende ihrer Antwort vom 08.03.2012: „Bezüglich ihrer Anmerkung zur Gestaltung des Ordnungsrahmens kann man Hayek auch anders verstehen.“

    Da wir tote Autoren nicht mehr befragen können, liegt es in der Natur der Dinge, dass sich diese Aussagen letztlich immer auch (!) anders verstehen lassen. Wenn Sie aber schon darauf hinweisen, möchte mich mir meinerseits jedoch auch den Hinweis erlauben, dass bei Ihnen die historische Einordnung gar völlig fehlt. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die „spontane“ und „geplante“ Ordnung an die Idealtypen „Marktwirtschaft“ und „Zentralverwaltungswirtschaft“ erinnern. Kann es also sein, dass in dem Konzept, für das Sie sich so begeistert zeigen, letztlich auch der Konflikt des Kalten Krieges ausgetragen wird?

    Wenn Sie den hayekschen Idealismus von 1969 heute anwenden wollen, sollten Sie deshalb bitte auch klären, unter welchen Bedingungen Sie die historische Analogie für gerechtfertigt halten.

    Ich gebe darüber hinaus zu bedenken, dass Hayek besonders mit Blick auf Chile dem Entstehen „spontaner“ Ordnungen wohl doch nicht so ganz traute, wie Sie uns hier suggerieren.

    @ Björn Urbansky:

    In Ihrer Antwort auf Friedrun Quaas schrieben Sie: „Ihre Aussage, dass die Beziehung zwischen Staat und Markt um ein Komplementärverhältnis handelt, scheint nicht immer zu zutreffen. […] Von einem Substitutionsverhältnis kann man z. B. sprechen, wenn der Staat einen Höchstpreis unterhalb des Marktpreises festsetzt.“

    Beim Konzept der Sozialen Marktwirtschaft übersehen Sie, dass sich hinter Staat und Markt im Grunde genommen die Ziele Freiheit und Sozialen Gerechtigkeit verbergen.

    Da Sie bisher nicht sonderlich mit ideengeschichtlichen Arbeiten in Erscheinung getreten sind, möchte ich Ihnen das nicht zum Vorwurf machen. Aber ich würde Sie bitten, die entsprechenden Schriften zur Sozialen Marktwirtschaft zu studieren, u. a. die von Müller-Armack, wo u. a. Preisfestlegungen aber auch steuerliche Empfehlungen als Vorschläge zur Umsetzung einer Sozialen Marktwirtschaft vorgeschlagen wurden. Dabei handelt es sich klar um staatliche Aufgaben. Sie werden dort aber kaum einen Hinweis darauf finden, dass diese Ziele irgendwie substituierbar wären. Gerade Ihr Beispiel der Höchstpreise lässt sich in diesem Lichte auch anders deuten.

    **********

    Abschließende Bemerkung: Mit einigen Wochen Abstand möchte ich noch anmerken, dass eine Menge an Literatur existiert, in der genügend Belege dafür zu finden sind, in Hayek vor allem einen Ideologen zu sehen. Entsprechend wäre eigentlich eine Einordnung oder Positionierung notwendig gewesen, die die Autoren aber völlig vermissen lassen.

    A. M-A.

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