Kommentar zur Rezension eines gewissen H.R.

Hier die Buchbesprechung in voller Länge, denn man kann nicht wissen, wie der Text in ein paar Wochen aussieht:

„Jeder an Erkenntnis interessierte Mensch sollte seine Ideen und Überzeugungen von Zeit zu Zeit überprüfen. Als ich vor einer Weile auf das Buch Die Österreichische Schule der Nationalökonomie. Darstellung, Kritiken und Alternativen von Friedrun und Georg Quaas gestoßen bin, ist dieser

Zeitpunkt für mich wieder einmal gekommen. Diese 2013 erschienene Auseinandersetzung mit der Österreichischen Konjunkturtheorie (ÖKT) verspricht eine „vernichtende Kritik“ an selbiger. Hoch erfreut, dass sich der Österreichischen Schule (ÖS) von Kritikern in Deutschland wieder angenommen wird, kaufte ich das Buch.

Im ersten Teil des Buches wird die Österreichische Schule der Nationalökonomie als Denkschule vorgestellt und angezweifelt, dass die heutigen Vertreter auf eine einheitliche Denktradition zurückgreifen können. Dazu werden nahezu (?) alle Personen im Umkreis des Wiener Hochschulbetriebs, die mit Carl Menger, der als Gründer der ÖS identifiziert wird, zusammenarbeiteten und ebenfalls alle Personen, die nachfolgend mit dem ersten Personenkreis lehrten und lernten etc., benannt und vorgestellt. Das Ergebnis ist, dass nicht alle diese Personen die gleichen wirtschaftstheoretischen Standpunkte hatten, man deshalb nicht von einer einheitlichen Denktradition sprechen könnte und die neuere Generation wohl eher eine „Bastardisierung“ der klassischen ÖS ist. Die vermeintliche Demaskierung als „bastardisierte“ Denkschule wird immer wieder versucht zu belegen, man könnte schlussfolgern, dass es das Ziel dieses Kapitels ist. Der Sinn und Zweck dieses Vorgehens sei dahingestellt, da es nach meinem Dafürhalten nur logisch ist, als Wissenschaftler nicht blind an den Lehren der Vorgänger festzuhalten sondern diese auszuweiten, anzupassen und teils zu verwerfen. Trotzdem lässt sich feststellen, dass es eine einheitliche Linie an Denkern gab, die von Mengers Güterlehre, über Böhm-Bawerks (angepasster) Zinstheorie und Mises ÖKT, die anschließend von Hayek verfeinert wurde, gab und gibt. Der Autorin war diese Feststellung allerdings nicht so wichtig, wie die Unterschiede zu den anderen österreichischen Wirtschaftswissenschaftlern, die heute zumeist eigentlich von keiner Bedeutung mehr sind. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die bereits erwähnte Linie als ÖS bezeichnet, was für mich als Nicht-Denkschulen-Theoretiker als legitimer Gebrauch des Begriffes einer wissenschaftlichen Denkschule gilt. Insgesamt enthält das Kapitel jedoch viel Recherchearbeit und ist auch für Österreicher interessant, insofern man über die permanenten Anfeindungen, die sich allerdings durch das ganze Buch ziehen, hinweg schauen kann. Als besonders tragisch empfand ich dabei die persönlichen Angriffe gegen den (leider verstorbenen) Ökonomen Roland Baader, dessen Texte (durch ein Zitat) als unwissenschaftlich verschrien wurden, ohne dabei zu beachten, dass Roland Baader als Populärökonom schwierige Sachverhalte einfach verständlich machen wollte und sein Augenmerk nicht auf Theorieentwicklung lag. Diese Kritik ist, zumindest in dieser Form, komplett verfehlt!

Das zweite und dritte Kapitel des Buches fassen Hayeks Ausformulierung der ÖKT zusammen und kritisieren diese, wobei das dritte besonders das „Hayekian Triangle“ angreift und mathematisch (geometrisch) kritisiert. Kapitel vier befasst sich mit einem eigens entwickelten Modell zur Konjunkturtheorie. Das letzte Kapitel werde ich nicht besprechen, weil es für mich nicht kaufentscheidend war und ich es auch nicht überzeugend fand. Dem interessierten Leser sei hier gesagt: Das letzte Kapitel besteht fast ausschließlich aus mathematischen Formeln und obwohl der Autor von der überragenden Überlegenheit dieser Darstellungsweise sehr überzeugt ist, krankt es unter den gleichen Mängeln wie jedes mathematische VWL Modell und vernebelt den Blick auf die Theorie zu Gunsten der formalen Eleganz. Die mathematische Fassade lässt (nicht nur in diesem Buch) teils triviale Erkenntnisse fundiert aussehen, was sie für viele Österreicher unbrauchbar macht. Die daher begründete Abneigung liegt nicht nur, wie der Autor unterstellt, in der „mathematischen und logischen Überforderung“ (!) der Österreicher bei einfachster Mathematik.

Die Kritik an der ÖKT, die sich im Allgemeinen aus einer Wiederholung der Debatte zwischen dem Ökonomen Piero Sraffa und Hayek speist, will ich im Folgenden nur an einigen kurzen Punkten auf- und angreifen:

Kritik:
Hayek unterscheidet nicht durchgehend zwischen Produzenten und Konsumenten und daher wäre eine Unterscheidung zwischen Konsumenten- und Produzentenkredit an manchen Stellen sinnwidrig.

Entgegnung:
Wie Hayek Sraffa damals korrekt geantwortet hatte, spielt es für die Theorie nur eine Rolle, wo die Geldmittel hinfließen und nicht von wem sie wo ausgegeben werden. Aus diesem Grund spricht Hayek von Produktiv- und Konsumtivkrediten. Die Unterscheidung zwischen Konsumenten und Produzenten ist hier in der Tat nicht wichtig, weil eine trennscharfe Unterscheidung zwischen Produzenten und Konsumenten in der Realität ohnehin nicht existiert. Eine richtige Kritik lässt sich nicht erkennen.

Kritik:
Hayek erkennt nicht, dass es Inflationsgewinner und -verlierer gibt.

Entgegnung:
Die Protagonisten der ÖS gehören zu den wenigen, die den Cantillon-Effekt, also die ungleichmäßige Ausbreitung des Geldes bei Inflation (=Geldmengenausweitung) beachten und in ihren Theorien verwenden. Ohne diese Erkenntnis könnte Hayek gar nicht zu der Schlussfolgerung einer Verschiebung der Produktionsstruktur gelangen, die die ÖKT ausmacht. Bereits Mises wies in seiner Habilitationsschrift „Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel“ darauf hin, dass die Vermögensverhältnisse nach einer Geldmengenausweitung nicht die selben sind wie zuvor und die Erstempfänger auf Kosten der Letztempfänger profitieren.

Allgemein:
Die Autoren bezichtigen Hayek eine Überinvestitionstheorie aufgestellt zu haben, die scheinbar mit Mises Auslegung der ÖKT komplett in Konflikt gerät. Die Behauptung, dass Hayek eine Überinvestitionstheorie hergeleitet hat zieht sich durch das gesamte Buch.

Entgegnung:
Der Widerspruch ist nur (sehr) oberflächlich. Prinzipiell sprechen beide von Fehlinvestitionen (Malinvestment), die anfänglich mit einer „Überinvestition“ (im Sinne einer zu hohen Kapitalbildung) starten und später von den realen Verhältnissen durch die Rezession wieder bereinigt werden. Als Beleg für das Problem an diesem Missverständnis dient eine spätere Textstelle (S. 277), in der behauptet wird, dass wenn es wirtschaftliches Wachstum gibt, keine Krise vorliegen kann. Für Hayek ist das anfängliche Wirtschaftswachstum, allerdings der Auslöser für die Krise. Die aufgestellte Behauptung ist daher nur ein Teil der Wahrheit und zeigt meines Erachtens, (wie an einigen anderen Stellen ebenfalls) ein merkwürdiges Verständnis des Marktprozesses.

Hayek unterstellte damals Sraffa, dass dieser seine Theorie nicht verstanden habe. Während des Lesens so einiger vorgetragener Argumente in diesem Buch, hatte ich das selbe Gefühl. Auch wenn mich das Buch insgesamt angeregt hat an der einen oder anderen Stelle nochmal nachzuschlagen.

Sollte man sich das Buch nun kaufen?

Ich bin der Meinung, dass die Aufarbeitung der Geschichte der ÖS durchaus interessant ist, wenn man an den Personen, um Menger, Böhm-Bawerk und Mises interessiert ist und man über die Sticheleien hinwegschauen kann. Für die Kritik an der ÖKT ist es vermutlich vollkommen ausreichend und auch wesentlich sinnvoller sich den verbalen Schlagabtausch zwischen Hayek und Sraffa direkt durchzulesen. Die mathematische Kritik am Hayekian Triangle und der folgende Teil mit der mathematischen Darstellung einer eigenen Konjunkturtheorie hielt ich für wenig überzeugend und auch nicht sonderlich interessant.
R.H.“

Der Text entstammt der folgenden Quelle: http://vernunftsblog.wordpress.com/2014/03/27/buchkritik-die-osterreichische-schule-der-nationalokonomie-darstellung-kritiken-und-alternativen/
der Download erfolgte Anfang April.

Amerkungen zur Rezension von R.H. von F. & G. Quaas:

Das in den letzten Jahren unübersehbare Revival der Österreichischen Schule der Nationalökonomie haben wir zum Anlass genommen, die Verbindungen zwischen dem durch einige New Austrians inständig bemühten Rekurs auf die Tradition und dieser selbst etwas genauer zu betrachten. Die ins Auge stechende Bezugnahme auf die Mises-Hayek’sche monetäre Überinvestitionstheorie als Krisenerklärungsversuch hat uns dazu herausgefordert, diese Theorie im Spiegel der an ihr seit acht Jahrzehnten geübten Kritik neu zu reflektieren.

Nicht wir haben ihre „vernichtende Kritik“ versprochen, wie der Rezensent meint, sondern wir haben gezeigt, dass diese längst geleistet wurde und in der Konsequenz zu einer schweren Beschädigung der von Hayek letztlich vorgelegten Variante geführt hat.

Das ist auch der Grund, warum in unserer Analyse das Verhältnis der New Austrians zu den Vertretern der dritten und vierten Generation eine Schlüsselrolle spielt. Wie sich rasch herausstellte, ist dieses Verhältnis bei etlichen Vertretern der jüngeren Generation durch völlige Blindheit gegenüber der von anderen geübten Kritik geleitet.

Wir können es daher nur begrüßen, wenn der Rezensent anregt, die Originalauseinandersetzung zwischen Sraffa und Hayek zu studieren. Auf Originale zurückzugreifen, lohnt sich in jedem Fall, schließt aber überhaupt nicht aus, dass es für das eigene kritische Verständnis und den wissenschaftlichen Dialog sehr sinnvoll sein kann, weitere Rezeptionen zur Kenntnis zu nehmen. Dies setzt allerdings ein unvoreingenommenes und undogmatisches Verhältnis zum Gegenstand voraus. Außerdem reduziert sich die Schar der Kritiker an Hayeks Überinvestitionstheorie natürlich nicht auf Sraffa und Keynes, so dass wir andere Kritiker ebenfalls zu Wort kommen ließen.

Unabhängig davon, war es uns sehr wichtig, die von den New Austrians gern verschwiegene oder als irrelevant deklarierte Kritik Sraffas neu zu präsentieren, um sie im Zuge des üblich gewordenen Kampfgeschreis „Hayek versus Keynes“ nicht völlig verblassen zu lassen. Schließlich war Sraffa es, der Hayek auf diesem Gebiet logisch-theoretisch in die Knie gezwungen hat – daran ist nicht zu rütteln, auch wenn es noch so viele Versuche der Rehabilitierung geben sollte. Das Hauptproblem scheint doch immer noch zu sein, dass ein „ungläubiges“ Verhältnis gegenüber dieser Kritik dominiert und der „falsch verstandene“ Hayek geschützt werden soll. Der Rezensent liefert selbst ein Beispiel für diese Haltung, wie weiter unten gezeigt wird.

Angesichts der Ignoranz gegenüber dieser legendären stichhaltigen Kritik schien es uns reizvoll zu sein, die Österreichische Schule auch einmal auf ihren inneren Zusammenhang zu untersuchen. Dass man uns unterstellt, eine zusammenhängende Schule könne man lediglich dann behaupten, wenn über Jahrzehnte hinweg stets und ständig dasselbe hergebetet wird, weisen wir entschieden zurück, war es doch die gerade beschriebene Dogmatik, die uns stutzig werden ließ, ob es sich im Falle der Österreichischen Schule um eine nicht nur ideologisch, sondern auch wissenschaftlich lebendige Schule handelt.

Das Ergebnis unserer Beschäftigung mit dem Generationenprojekt Österreichische Schule ist in mehrerer Hinsicht auch für uns überraschend gewesen. Die wissenschaftliche Lebendigkeit über die ersten vier Generationen hinweg hat ein Ausmaß erreicht, das sich in einer großen Heterogenität und Ausspreizung niedergeschlagen hat. „Familienähnlichkeiten“ (Wittgenstein) schließen Bastardierungen und Verfremdungen keineswegs aus. Unter einer Bastardierung verstehen wir die Integration von gegnerischen Positionen, die zwar realistisch sein mögen, aber in einem logischen Widerspruch zu anderen Thesen stehen. Diese Probleme aufzudecken war unser Anliegen, wie der Rezensent richtig erkannt hat, auch wenn er sich über eine kritische Haltung zu den von ihm verehrten Gelehrten zu wundern scheint.

Das Selbstverständnis der New Austrians als Traditionsbewahrer schützt nicht vor der Frage, um welche Tradition es sich überhaupt handelt. Im Grunde ist eine paradoxe Situation entstanden. In einem Bereich, in dem die ÖS ihre Tradition pflegen könnte, weil sie über Generationen hinweg mannigfaltige Erkenntnisse zur ökonomischen Lehre beigetragen hat, findet sich kein Anwalt, weil die New Austrians sich mit bestimmten Bereichen nicht mehr oder nicht mehr ausreichend identifizieren können oder wollen. Da, wo sie es wollen, demonstrieren sie stark verengte und einseitige Sichtweisen, die eine Schule im engeren Sinne ebenfalls fraglich machen. Das betrifft übrigens auch die in vielen Punkten verschiedenen Ansichten zwischen Mises und Hayek, die zur Ausdifferenzierung von Misesianern und Hayekianern geführt hat. Differenzenbildungen dieser und ähnlicher Art weisen weit über das tolerable Maß für einen inneren Schulzusammenhang hinaus, indem sie einen Indikator nicht nur für annehmbaren Wandel und wissenschaftliche Weiterentwicklung darstellen, sondern Widersprüchlichkeiten ernsthafter Art produzieren und einen Schulzusammenhang zumindest im Hinblick auf die Theoriebildung fraglich machen.

Wenn sich die New Austrians stattdessen verstärkt auf die ideologischen Gemeinsamkeiten fokussieren, ist ihnen die Frage zuzumuten, ob die ÖS nicht vom Theoriebildner zur libertären Sekte mutiert ist. So zu verfahren muss erlaubt sein, ohne dem Vorwurf „permanenter Anfeindungen“ und „Sticheleien“ ausgesetzt zu werden.

Überhaupt kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass der Rezensent uns verantwortlich machen möchte für den Ton, mit dem die New Austrians in ihren Pamphleten ihre vermeintlichen und wirklichen Feinde angreifen. Anders kann man sich nicht erklären, warum unsere Anmerkungen zu R. Baader „besonders tragisch“ sein sollen. Er selbst hat sich mit seinen Texten in wiederholter Weise nachdrücklich in der durch uns beschriebenen Weise demaskiert. Das Problem dabei ist keineswegs, dass er, wie der Rezensent meint, nur versucht habe, schwierige Sachverhalte populär darzustellen. Der u.a. bei Hayek ausgebildete Volkswirt Baader hat in 15 Büchern, etwa 30 Buchbeiträgen und Hunderten von Artikeln in der Presse kaum mehr als seine Meinung transportiert und dabei versucht, sie als wissenschaftlich zu kaschieren, denn er wähnte sich wie auch andere Repräsentanten der New Austrians im Besitz der allein selig machenden wahren Erkenntnis. Auf diese Verquickung von Ideologie und Wissenschaft zielt unsere Kritik, nicht auf die Person R. Baader.

Kommen wir nun zu jenen beiden Punkten, die der Rezensent im Detail behandelt, indem er die Kritik von Sraffa an Hayek darstellt und durch Entgegnungen angreift, d.h. zu Fall bringen möchte.

1. Punkt: Produzenten und Konsumenten

Kritik an Hayek: Hayek unterscheidet nicht durchgehend zwischen Produzenten und Konsumenten und daher wäre eine Unterscheidung zwischen Konsumenten- und Produzentenkredit an manchen Stellen sinnwidrig.

Entgegnung zur Verteidigung Hayeks: Wie Hayek Sraffa damals korrekt geantwortet hatte, spielt es für die Theorie nur eine Rolle, wo die Geldmittel hinfließen und nicht von wem sie wo ausgegeben werden. Aus diesem Grund spricht Hayek von Produktiv- und Konsumtivkrediten. Die Unterscheidung zwischen Konsumenten und Produzenten ist hier in der Tat nicht wichtig, weil eine trennscharfe Unterscheidung zwischen Produzenten und Konsumenten in der Realität ohnehin nicht existiert. Eine richtige Kritik lässt sich nicht erkennen.

Kommentar: Ja, das hat Hayek Sraffa geantwortet, und es ist in keiner Weise befriedigend. Die belehrende Phrase, dass Sraffa übersehen habe, dass Unternehmer auch Konsumenten, aber nicht alle Konsumenten auch Produzenten seien, geht am Kern der Kritik vorbei. Sraffa hat das ganz gewiss nicht übersehen, sondern er hebt auf die Kernfunktion eines ökonomischen Akteurs ab. Und genau dafür braucht auch Hayek diese Unterscheidung, wenn er behauptet, dass zusätzliche Konsumentenkredite sich anders auswirken als zusätzliche Kredite an die Unternehmer. Im ersten Fall unterstellt Hayek nämlich den Übergang zu einem neuen Gleichgewicht, sobald die entsprechenden Störungen überwunden sind, im zweiten Fall behauptet er die Rückkehr zum alten Gleichgewicht. Wenn es keine Rolle spielt, wo die Geldmittel hinfließen, kann Hayek diese Unterscheidung nicht widerspruchsfrei aufstellen. Wenn das keine „richtig Kritik“ ist!

2. Punkt
Kritik an Hayek: Hayek erkennt nicht, dass es Inflationsgewinner und -verlierer gibt.

Entgegnung zur Verteidigung Hayeks: Die Protagonisten der ÖS gehören zu den wenigen, die den Cantillon-Effekt, also die ungleichmäßige Ausbreitung des Geldes bei Inflation (=Geldmengenausweitung) beachten und in ihren Theorien verwenden. Ohne diese Erkenntnis könnte Hayek gar nicht zu der Schlussfolgerung einer Verschiebung der Produktionsstruktur gelangen, die die ÖKT ausmacht. Bereits Mises wies in seiner Habilitationsschrift „Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel“ darauf hin, dass die Vermögensverhältnisse nach einer Geldmengenausweitung nicht die selben sind wie zuvor und die Erstempfänger auf Kosten der Letztempfänger profitieren.

Kommentar: Formal ist Hayek dieser Unterschied natürlich bekannt, aber bei der Ableitung seiner Schlussfolgerungen vergisst er ihn. Hier kann man nur mit H.D. Kurz feststellen, dass Hayek sich diese Blöße hätte ersparen können, wenn er sich seiner eigenen lobenden Worte für die Geldtheorie von Richard Cantillon im ersten Kapitel von „Preise und Produktion“ erinnert hätte. Aber Hayek ist in der Zwickmühle, weil er die Erhöhung der Einkommen (Löhne) für den Fall des Zwangssparens braucht, um die Rückkehr zum alten Gleichgewicht (den alten Konsumgewohnheiten) behaupten zu können. Für die Inflationsverlierer ist eine solche Rückkehr aber mehr als fraglich. Hayeks Versuch, sich gegen diese Kritik antizipatorisch zu schützen, ist lächerlich, weil er die Ebene der Theorie verlässt. Er behauptet doch allen Ernstes, dass die Inflationsverlierer eine Verminderung ihrer Einkommen nicht hinnehmen würden und auch die Unternehmer eher bereit seien, dem Verlangen der Konsumenten nach höheren Löhnen nachzugeben.

Punkt 3:
Es sei nur am Rande erwähnt, dass unser Rezensent das schlagendste Argument Sraffas gegen Hayek nicht einmal erwähnt, nämlich die Behauptung eines natürlichen Zinssatzes, an dem sich der Geldzinssatz vorzugsweise orientieren solle. Stattdessen kritisiert er die Autoren in einem allgemeinen Punkt:

Die Autoren bezichtigen Hayek eine Überinvestitionstheorie aufgestellt zu haben, die scheinbar mit Mises Auslegung der ÖKT komplett in Konflikt gerät. Die Behauptung, dass Hayek eine Überinvestitionstheorie hergeleitet hat zieht sich durch das gesamte Buch.

Entgegnung: Der Widerspruch ist nur (sehr) oberflächlich. Prinzipiell sprechen beide von Fehlinvestitionen (Malinvestment), die anfänglich mit einer „Überinvestition“ (im Sinne einer zu hohen Kapitalbildung) starten und später von den realen Verhältnissen durch die Rezession wieder bereinigt werden. Als Beleg für das Problem an diesem Missverständnis dient eine spätere Textstelle (S. 277), in der behauptet wird, dass, wenn es wirtschaftliches Wachstum gibt, keine Krise vorliegen kann. Für Hayek ist das anfängliche Wirtschaftswachstum allerdings der Auslöser für die Krise. Die aufgestellte Behauptung ist daher nur ein Teil der Wahrheit und zeigt meines Erachtens, (wie an einigen anderen Stellen ebenfalls) ein merkwürdiges Verständnis des Marktprozesses.

Kommentar:
Als Östereicher könnte man sich auch mal in den eigenen Reihen umschauen, dann würde man bei seinen klügeren Kollegen nachlesen können, dass diese den Widerspruch zwischen Mises Mal-Investment-Theorie und Hayeks Überinvestitionstheorie nicht nur bemerkt, sondern auch versucht haben, ihn irgendwie zu lösen. Das führt bei R. W. Garrison zu einem Hayekschen Dreieck mit einem Hängebauch anstelle der Hypothenuse – noch so ein „Erkenntnisfortschritt“, produziert in dem Bestreben, die einander widersprechenden Positionen zu versöhnen, eine „Erkenntnis“, die allerdings zu mehr Problemen logischer Art führt als sie löst. Aber das stört in diesen Reihen wohl niemand. Popper würde sich rotierend im Grabe herumdrehen…

Punkt 4:
Im Übrigen finden wir es befremdlich, sich in einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung – und sei es in einer Rezension – hinter irgendwelchen Kürzeln und abgeschotteten Blogs zu verstecken. Wie es scheint hat sich auch in dieser Beziehung der liberale Ethos nicht gerade zum Besseren entwickelt.

Ein Gedanke zu „Kommentar zur Rezension eines gewissen H.R.

  1. Sehr geehrte Frau Professorin Quaas,
    sehr geehrter Herr Professor Quaas,

    durch einen Kommentar auf meinem Blog wurde ich auf Ihre Erwiderung zu meiner Rezension aufmerksam gemacht und ich habe mich sehr gefreut, dass diese Sie erreicht hat. Weniger gefreut hat mich, dass die Rezension als „wissenschaftliche Diskussion“ gedeutet wurde und weniger als Ansporn die eigene Position dementsprechend umfangreicher und vorallem gelassener vorzutragen. Der Grund für das Verfassen meiner Rezension war es u.a. zu zeigen, dass die versprochene „Widerlegung“ der Konjunkturtheorie für mich alles andere als feststeht, wie ich mit meinen Denkanstößen zur im Buch vorgebrachten Kritik kurz umrissen habe. Ich hatte ebenfalls daran gedacht ein Working Paper zu schreiben, dass meine Erwiderung klarer und ausführlicher dargestellt hätte und auch nicht mehr in Anonymität verfasst worden wäre, aber aus verschiedenen Gründen habe ich es bei einer Rezension belassen. Ich habe das Buch ebenfalls in „Österreichischen Kreisen“ vorgestellt in der Hoffnung etwas Schwung in die Diskussion zu bringen, weil es mir (entgegen der Meinung Ihres vermeintlichen Schülers, der auf meinen Blog postete) tatsächlich um Erkenntnisgewinn geht. Daher wird sich auch, anders als in Ihrer Erwiderung suggeriert, nichts an meiner Rezension auf meinem Blog ändern. Mir einen schlechten Diskussionsethos vorzuwerfen und diesen auch noch auf „die liberale Szene“ zu übertragen, halte ich vor diesem Hintergrund für etwas dick aufgetragen.
    Ich werde im Folgenden nochmals kurz klarstellen, wo ich das Problem an den entsprechenden Kritikpunkten bzw. Stellen in Ihrem Buch gesehen habe; dabei lasse ich die kritisierten ad hominem Attacken jetzt außen vor, weil eine Diskussion hier scheinbar fruchtlos ist:

    1) Unterscheidung von Produzenten- und Konsumentenkrediten. Die Unterscheidung trifft Hayek indem er von Produktiv- und Konsumtivkrediten spricht. Es ist vielleicht sprachlich nur ein kleiner Unterschied, meiner Interpretation nach handelt es sich bei Produktivkrediten allerdings um Kredite, die „produktiv“ also für Investitionen genutzt werden und ein Produzentenkredit wäre ein Kredit den „Produzenten“ für Konsum oder Investition ausgeben. Hayek spricht von Produktiv- und Konsumtivkrediten und damit kann man ihm nach meinem Dafürhalten nicht einmal eine sprachliche Ungenauigkeit vorwerfen.
    2) Die erhöhten Löhne. Jesus Huerta de Soto, der mit seinem Buch auch in Ihrem Literaturverzeichnis zu finden ist, hat den Anstieg der Löhne durch u.a. erhöhte Arbeitskräftenachfrage durch den scheinbaren Aufschwung erklärt. Ich denke, dass Hayek es in seinen Büchern genauso und wahrscheinlich noch ausführlicher erklärt, allerdings habe ich die entsprechenden Bücher momentan nicht zur Hand, um es mit den entsprechenden Textstellen zu belegen.
    3) Die verschiedenen Zinssätze. Der sogenannte Urzins ist ein Gedankenkonstrukt und nicht in der Realität anzutreffen. Aber das ist auch gar nicht notwendig. Natürlich gibt es mehrere Zinsen.
    Das runterschrauben des Leitzinses der Zentralbanken soll eine Senkung aller anderen Zinsen bewirken. Das Bild des Urzinses ist eine Hilfe, um zu verstehen, warum das nicht funktioniert. Eine Kritik geht hier am Kern vorbei.

    Mein Kommentar sollte nur dazu dienen das Nötigste aus meiner Sicht richtigzustellen. Ich bin mir im Klaren darüber, dass Sie die besprochenen Punkte vermutlich nochmals genauer aus Ihrer Sicht darstellen werden und ich begrüße das auch sehr. Jedoch denke ich, dass eine ausgedehnte Diskussion mit mir den Eindruck erwecken würde, dass ich eine exponierte Person aus dem Umkreis der Österreichischen Schule bin, so dass das Ergebnis den Schein erwecken würde, sich ein Urteil zur Validität der Konjunkturtheorie erlauben zu dürfen. Jedoch bin ich selbst Student und habe mich lediglich in meiner Freizeit mit der Theorie auseinandergesetzt, so dass ich mir nicht anmaßen möchte als „Vertreter der Österreichischen Schule“ gesehen zu werden. Sollte sich das ändern, werde ich ein Working Paper verfassen und bin zu einer ausgedehnteren (wirklichen) wissenschaftlichen Auseinandersetzung bereit.

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